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Leitlinie „Tactical Emergency Casualty Care for BLS/ALS Clinicians“ des C-TECC

veröffentlichende Fachgesellschaft: Committee for Tactical Emergency Casualty Care (C-TECC)
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 25.11.2024
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://www.c-tecc.org/our-work/guidance

Grundsätzliches

  • TECC-Ansatz besteht aus drei dynamischen Phasen der Betreuung (Phasen sollen direkt mit der aktuellen Bedrohungslage korrelieren und sind nicht ausschließlich geografischer Natur):
  • Die wichtigsten Überlegungen zur Verringerung der Mortalität und Morbidität in allen Phasen der TECC sind:
    • unmittelbarer Zugang zu den Verletzten
    • schnelle lebensrettende Maßnahmen am oder in der Nähe des Verletzungsortes
    • frühzeitige Bergung derjenigen, die einen Transport zur definitiven medizinischen Versorgung benötigen

primäre Ziele während Direct Threat Care (DTC):
– Mission mit minimalen Verlusten zu erfüllen
– Verhindern, dass Verletzte weitere Verletzungen erleiden
– maximale Konzentration der Einsatzkräfte auf die Bekämpfung/Neutralisierung der unmittelbaren & bestehenden Bedrohung (z.B. Feuer/Rauch, nicht explodierte Munition, aktiver Schütze, drohender Einsturz)
– Minimierung des öffentlichen Schadens

  • jede unmittelbare Bedrohung beseitigen und selbst in sicherere Position begeben (CAVE: Bedenken, dass Bedrohungen dynamisch sein können)
  • Patient*innen in sicherere Position begeben (wach & gehfähig soll dies selbst tun; für wach & verletzt Rettungsplan erstellen; bei bewusstlos Risiken & Vorteile von sofortigen Rettungsversuch abwägen)
  • lebensbedrohliche äußere Blutungen stoppen, sofern dies in Abhängigkeit von unmittelbarer Bedrohung und Entfernung zur sicheren Position sinnvoll ist
  • Tourniquet-Anlage vor dem Verbringen in sichere Position erwägen, wenn die Situation dies rechtfertigt (wach & gehfähig soll selbst Druck auf Wunde ausüben und Tourniquet anlegen; Tourniquet so proximal und fest wie möglich anlegen, auch über Kleidung)
  • bewusstlose Patient*innen rasch in Stabile Seitenlage bringen oder sich verschlechternde, noch nicht bewusstlose Patient*innen anweisen sich selbst in die Stabile Seitenlage zu legen
  • beim initialen Vorgehen bzw. bei der Planung des Vorgehens das PACE-Schema nutzen
    • P – Primary Plan (idealer Plan, also Hauptplan bei dem alles nach eigenen Vorstellungen läuft)
    • A – Alternate Plan (Ersatzplan für den Fall, dass der Hauptplan nicht funktioniert)
    • C – Contingent Plan (Plan für den Umgang mit unerwarteten Ereignissen, die den primären oder alternativen Plan zum Scheitern bringen könnten)
    • E – Emergency Plan (Notfallplan, also Plan für den Umgang mit katastrophalen Ereignissen)

primäre Ziele während Indirect Threat Care (DTC):
– primäre Ziele der Direct Threat Care-Phase
– Stabilisierung der Patient*innen je nach Bedarf für sichere Evakuierung

  • Sicherung der Waffen von Patient*innen, sobald die Bedrohung neutralisiert ist und/oder bei Patient*innen mit Bewusstseinsstörungen
  • systematische Ersteinschätzung der Patient*innen nach dem MARCH- oder X-ABCDE-Schema

X (Exsanguation bzw. Ausblutung) oder c (critical Bleeding bzw. kritische Blutung)

  • Suche nach unkontrollierte/unerkannte größeren, kritischen Blutungen
    • Anlage von Tourniquet (so hoch proximal wie möglich und fest wie möglich; auch über der Kleidung; falls möglich, Verletzung vollständig freilegen und Ausmaß beurteilen; keine Anlage über Gelenken)
    • regelhafte Tourniquet-Anlage bei traumatischer Total-/Teilamputation, unabhängig vom Ausmaß der Blutung
    • Druckverband mit tiefem Woundpacking ist akzeptable Alternative für mittelschwere bis schwere Blutungen (einfache Gaze oder, falls verfügbar, Hämostatika)
  • junktionale Blutungen (Blutungen an Körperregionen, in denen sich ein Tourniquet nicht leicht verwenden lässt)
    • direkter Druck und geeigneter Druckverband mit tiefem Woundpacking (einfache Gaze oder, falls verfügbar, Hämostatika) entsprechend Herstellerangaben
    • sofern möglich, Anlage einen junktionalen Tourniquet in Körperbereich, an denen die Blutung nicht ohne weiteres durch direkten Druck und/oder Hämostatika/Verbände gestoppt werden kann
  • Überprüfung aller Tourniquets, welche in der Hot Zone angelegt wurden, und Wunden auf anhaltende Blutungen oder distalen Puls an der Extremität beurteilen (falls möglich, Verletzung vollständig freilegen und Ausmaß beurteilen)
    • immer noch notwendige und wirksame Tourniquets angelegt lassen, sofern die Patient*innen innerhalb von 2 h zur endgültigen medizinischen Versorgung verlegt werden können
    • bei notwendigen, aber nicht wirksamen Tourniquets den Tourniquet fester zuziehen oder zweiten Tourniquet neben dem ersten anlegen, sodass kein distaler Puls mehr tastbar ist
    • wenn kein Tourniquet mehr erforderlich, Umstieg auf andere Techniken zur Blutstillung und Tourniquet entfernen
  • weiteres Vorgehen bzgl. Tourniquet, wenn sich die Evakuierung um > 2 h verzögert (CAVE: bei hämorrhagischen Schock erst sicherstellen, dass die Patient*innen positiv auf die Maßnahmen ansprechen, also z.B. verbesserter Bewusstseinszustand oder normale periphere Pulse)
    • Herabstufung: Wunde vollständig freilegen, geeignete Stelle mindestens 2 – 3cm oberhalb der proximalsten Verletzung bestimmen (nicht auf Gelenken), neuen Tourniquet direkt auf der Haut anlegen & festziehen, sobald der neue Tourniquet ordnungsgemäß angelegt ist vorherigen Tourniquet lockern, aber an Ort & Stelle belassen
    • Konversion: Wunde vollständig freilegen, Wunde vollständig mit hämostatischer Gaze abdecken & Druckverband ordnungsgemäß anlegen und dann vorherigen Tourniquet lockern, aber an Ort & Stelle belassen (einfache Gaze oder, falls verfügbar, Hämostatika)
    • CAVE: wenn Stauungsreduktion oder Konversion frustran ist, keine weiteren Versuche
  • alle Tourniquet-Stellen freilegen und Zeitpunkt der Anlage deutlich kenntlich machen

A – Airway (Atemwegsmanagement)

  • wenn Patient*in bei Bewusstsein und in der Lage ist, Befehle zu befolgen, anweisen eine bequeme Position einzunehmen
  • wenn Patient*in bewusstlos, Fremdkörper aus Mund entfernen, Esmarch-Handgriff anwenden, Wendl-Tubus legen und Patient*in in Stabile Seitenlage bringen
  • sofern vorherige Maßnahmen frustran, die Einsatzsituation es zulässt und Material vorhanden ist, folgendes erwägen: 1. SGA, 2. oro-/nasotracheale Intubation oder 3. chirurgische Krikothyreotomie
  • O2-Gabe, falls O2 vorhanden und Situation sicher

B – Breathing (Atmung)

  • bei offenen und/oder saugenden Thoraxverletzungen Chest Seal o.Ä. anbringen
  • Überwachung von penetrierendem Thoraxtrauma auf die mögliche Entwicklung eines Spannungspneumothorax
  • bei sich entwickelndem bzw. gesicherten Spannungspneumothorax…
    • … ALS: Nadeldekompression (min. 14G bzw. 3,25-Zoll-Kanüle) im 2. ICR Medioclavikularlinie (nicht in Herzrichtung) oder 4./5. ICR mittlere Axillarlinie
    • … BLS: Chest Seal entfernen, Wund & drumherum reinigen, damit Luft entweichen kann
  • bei V.a. schweres SHT (GCS < 9) SpO2 & etCO2 überwachen –> bei SpO2 < 90 % O2-Gabe sowie etCO2-Ziel von 35 – 45 mmHg (Hyperventilation vermeiden, v.a. bei etCO2 < 35 mmHg; falls verfügbar, PEEP von 5 – 12 cmH2O erwägen)

i.v.-Zugang

  • wenn Volumentherapie notwendig und möglich, Anlage von pVK (mind. 18G) oder i.o.-Zugang

Tranexamsäure (TXA)

  • bei Verletzungen, die die möglicherweise eine erhebliche Bluttransfusion erforderlich machen (z.B. hämorrhagischer Schock bei penetrierendem Thoraxtrauma, Mehrfachamputation und/oder Anzeichen schwerer unkontrollierter innerer oder äußerer Blutungen) Gabe von 2 g TXA so rasch wie möglich erwägen (CAVE: TXA-Gabe in < 3 h nach Verletzung)

C – Circulation (Schockbehandlung/Flüssigkeitstherapie)

  • verändertes Bewusstsein (ohne SHT) sowie schwache/fehlende Radialpulse sind die besten Schock-Indikatoren (falls verfügbar RR- & HF-Messung –> CAVE bei RRsys < 90 mmHg und/oder HF > 100/min ODER Schockindex > 1)
  • wenn keine Volumentherapie notwendig sollte die pVK-Anlage + Volumengabe trotzdem in Betracht gezogen werden
  • bei hämorrhagischem Schock:
    • Volumentherapie mit Ziel einer permissiven Hypotension bei Patient*innen ohne SHT (CAVE: bei permissiver Hypotension bei Schwangeren)
    • Ziel der Volumenbolus-Gabe ist Verbesserung des Bewusstseins, der Radialispulse oder RRsys > 80 mmHg (Bolusgabe einmalig nach 30 min wdh., wenn Schock noch besteht)
    • falls verfügbar, Gabe von 1 g Calciumchlorid 10%ig (1 g CaCl 10 % in 10 mL entspricht 13,65 mEq/10 mL) ODER 3 g Calciumgluconat 10%ig (1 g 10 % in 10 mL entspricht 4,65 mEq/10 mL) langsam i.v.
  • bei Bewusstseinsstörung und (V.a.) schwerem SHT (GCS < 9) Hypotonie vermeiden –> aggressive Flüssigkeitstherapie mit dem Ziel verbesserter Bewusstsein, kräftige periphere Pulse oder RRsys > 110 mmHg SOWIE Lagerung mit 30 ° erhöhtem Oberkörper und Hals in Neutralposition (CAVE: zu enge Zervikalstütze oder abflussvermindernde Atemwegssicherung vermeiden)
  • bei V.a. hämorrhagischen Schock Blutprodukte in Betracht ziehen (Plasma & EK im Verhältnis 1:1 oder frisches Vollblut über Infusionswärmer BZW. 1 g CaCl 10%ig oder 3 g CaGlu 10%ig langsam i.v.)
  • Patient*innen mit SHT oder Schockzeichen, v.a. penetrierende Thoraxtraumata, vorrangig evakuieren

Hypothermie-Prävention

  • Kälte-Exposition und daraus resultierenden Wärmeverlust minimieren
  • Aufschneiden/Entfernen von Kleidung vermeiden, außer dies ist für die Wundbeurteilung unbedingt erforderlich (eigene Ausrüstung soll, sofern möglich, bei Patient*in verbleiben)
  • Patient*innen zugedeckt, warm und trocken halten (isolierte Unterlage; wenn möglich, nasse Kleidung durch trockene ersetzen; falls verfügbar, Wärmegeräte, Decken, Jacken o.Ä. verwenden, die Wärme speichern und trocken halten)
  • wenn Volumentherapie i.v. erfolgt, sollte diese möglichst mit warmen Infusionen erfolgen

Re-Assessment (regelmäßige Beurteilung)

  • schnellen Check nach Blutungen vorne & hinten durchführen sowie Suche nach weiteren Verletzungen (ggf. notwendig Kleidung zu zerreißen/zerschneiden, um Wunden freizulegen –> CAVE: Hypothermie-Gefahr)
  • Schienung bei V.a./gesicherten Frakturen, inkl. Beckenschlinge bei V.a. Beckenfraktur erwägen

Verbrennungen

  • Verbrennungsprozesse stoppen
  • Verbrennungsstellen mit trockenen, sterilen Verbänden abdecken und aggressives Management zu Verhinderung von Wärmeverlust/Unterkühlung einleiten
  • bei V.a. auf Inhalationstrauma (v.a. bei Verbrennungen im Gesicht in geschlossenen Räumen) Überwachung des Atemwegs sowie, falls verfügbar, O2-Gabe und bei Atemnot, Sättigungsabfall und Zeichen für Inhalationstrauma frühzeitige definitive Atemwegssicherung erwägen
  • bei (V.a.) Rauchgasinhalation (v.a. in geschlossenen Räumen)
    • hochdosierte O2-Gabe bei signifikanten Zeichen von Rauchinhalation & CO-Intox
    • Gabe eines Zyanid-Antidots in Betracht ziehen
  • Abschätzung der verbrannten Körperoberfläche (VKOF) in 10%-Schritten mithilfe von gängigen Formeln –> bei VKOF > 20 %: pVK-Anlage & Flüssigkeitsgabe; bei zusätzlicher Hypotonie: Vorgehen wie bei C – Circulation beschrieben
  • alle zuvor beschriebenen Maßnahmen können an oder durch verbrannte Haut von Verbrennungspatient*innen durchgeführt werden

Analgesie

  • für adäquate Analgesie sorgen, da angemessene Schmerzkontrolle physiologischen Stress reduzieren, posttraumatischen Stress verringern und chronische Schmerzsyndrome verhindern kann
  • leichte bis mäßige Schmerzen
    • Bewegungseinschränkung als erste Maßnahme
    • orale Nicht-Opioid-Analgetika erwägen (CAVE: herkömmliche NSAR wie z.B. Aspirin oder Ibuprofen vermeiden)
    • Celecoxib (selektiver COX-2-Hemmer) kann als nicht-sedierendes orales Analgetikum in Betracht gezogen werden
    • Paracetamol oral/i.v. bietet wirksame Schmerzkontrolle, v.a. in Kombination mit anderen Nicht-Opioid-Analgetika
  • mäßige bis starke Schmerzen
    • Opioide wie Fentanyl, Morphin usw. in Betracht ziehen (CAVE: Nebenwirkungsprofil erfordert sorgfältige Titration & verstärkte Überwachung auf unerwünschte Nebenwirkungen wie Atemdepression oder Hypotonie; Naloxon griffbereit!!!)
    • Ketamin in schmerzstillenden Dosierungen auf allen Applikationswegen erwägen (initial 0,3 – 0,4 mg/kg i.n./i.m. oder 0,1 – 0,2 mg/kg i.v./i.o., alle 15 min titriert bis die Schmerzkontrolle erreicht ist; bei Dysphorie ggf. niedrig dosiert Benzodiazepine)
  • Analgetika-Gabe unter Verwendung eines multimodalen Ansatzes zur Schmerzkontrolle sollte ernsthaft in Betracht ziehen (Verwendung von Analgetika mit unterschiedlichen, aber sich gegenseitig verstärkenden Wirkmechanismen können in niedrigeren Dosen mit weniger Nebenwirkungen bei gleicher/besserer Schmerzkontrolle verwendet werden)
  • CAVE: Hypotonie-Gefahr bein Opioid-Gabe bei traumatischen Hirnverletzungen
  • gleichzeitige Antiemetika-Gabe erwägen

Monitoring

  • falls verfügbar, Überwachung bzw. Vitalparameter-Erfassung durchführen

Transport/Evakuierung

  • Patient*innen auf Abtransport/Bewegungen beim Transport vorbereiten und ausreichend sichern
  • bei vertikaler Extraktion angemessene Sicherung sicherstellen

Kommunikation

  • wenn möglich, mit den Patient*innen kommunizieren
  • Patient*innen ermutigen, beruhigen und weitere Schritte erklären
  • sofern bei Bewusstsein und in der Lage, Befehle zu befolgen, Flüssigkeit trinken lassen

Reanimation

  • keine Reanimation bei Patient*innen mit Explosions- oder Penetrationstrauma, die pulslos sind, beatmet werden müssten und/oder keine Lebenszeichen aufweisen
  • bei Patient*innen mit Thorax-/Polytrauma, die weder atmen noch einen Puls haben, beidseitige Nadeldekompression erwägen, um sicherzustellen, dass Spannungspneumothorax nicht die Ursache für den Herzstillstand ist, bevor die Maßnahmen eingestellt werden
  • unter anderen Umständen (z.B. Stromschlag, Ertrinken) kann die HLW von Nutzen sein und im Zusammenhang mit der Einsatzsituation in Betracht gezogen werden

Dokumentation

  • Dokumentation von klinische Beurteilungen, durchgeführten Maßnahnen und Zustandsänderungen in Übereinstimmung mit örtlichen Protokollen
  • Informationen zusammen mit den Patient*innen an die nächste Versorgungsstufe weiterleiten

primäre Ziele während Evacuation Care (EC):
– Aufrechterhaltung aller lebensrettenden Maßnahmen, die während der DTC & ITC durchgeführt wurden
– schnelle und sichere Evakuierung in geeignete medizinische Aufnahmeeinrichtung
– Sicherstellung guter Kommunikation und Übermittlung von Daten zur Patient*innenversorgung zwischen Präklinik und stationärer medizinischer Aufnahmeeinrichtung
– Prävention zusätzlicher vermeidbarer Todesursachen

  • erneute Überprüfung aller in den vorangegangenen Phasen durchgeführten Maßnahmen
  • sofern mehrere Patient*innen, Durchführung einer formellen primären Triage gemäß den lokalen Standards

A – Airway (Atemwegsmanagement)

  • gleiche Grundsätze wie bei DTC & ITC, wobei SGA oder die finale Atemwegssicherung mittels endotrachealer Intubation anvisiert werden sollte
  • wenn Patient*in bei Bewusstsein und in der Lage Befehle zu befolgen, soll diese*r eine bequeme Position einnehmen (auch Sitzen o.Ä.)
  • bei Bewusstseinsstörung oder Bewusstlosigkeit Mund von Fremdkörpern befreien, Esmarch-Handgriff, Anlage Wendl-Tubus und Verbringen in Stabile Seitenlage
  • sofern vorangegangenen Maßnahmen frustran, jetzt Atemwegssicherung mittels SGA (z.B. King LT, LMA, iGel), oro-/nasotracheale Intubation oder chirurgische Krikothyreotomie
  • O2-Gabe, sofern verfügbar
  • falls intubiert und mechanisch beatmet, lungenschonende Beatmung präferieren und Patient*innen mit potenziellem Pneumothorax eine erneute Prüfung diesbezüglich
  • Berücksichtigung des Verletzungsmechanismus und Prüfung bzgl. der Notwendigkeit der Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule (CAVE: keine vollständige Bewegungseinschränkung empfohlen; Bewegungseinschränkung kann bei penetrierenden Gesichts-/Halstraumata schädlich sein; angemessene Bewegungseinschränkung auch mgl. durch ruhig halten und Anleiten der Patient*innen)

B – Beatmung (Atmung)

  • bei offenen und/oder saugenden Thoraxverletzungen Chest Seal o.Ä. anbringen
  • Überwachung aller Patient*innen auf mögliche Entwicklung eines Spannungspneumothorax (Spannungspneumothorax wie in ITC-Phase behandeln)
  • erneute Überprüfung aller Chest Seals und Nadeldekompression
    • bei Zeichen für anhaltende oder zunehmende Atemnot erneute Nadeldekompression oder Entfernung Chest Seal & Spülung der Wunde erwägen
    • Anlage Thoraxdrainage erwägen, sofern Expertise vorhanden und längere Evakuierungsverzögerung, lange Transportzeit oder Lufttransport möglich sind
    • O2-Gabe grundsätzlich bei allen traumatisch verletzten Patient*innen von Nutzen, v.a. aber bei niedriger SpO2 UND Zuständen, die mit eingeschränkter Sauerstoffversorgung einhergehen (Bewusstlosigkeit oder veränderte Bewusstsein, Thoraxverletzungen mit Dyspnoe oder mit bekanntem/vermutetem Pneumothorax, hämorrhagischer Schock, Patient*innen in Höhenlage)
  • bei V.a. schweres SHT (GCS < 9) SpO2 & etCO2 überwachen, wenn möglich, und O2-Gabe mit SpO2-Ziel > 90 % und etCO2-Ziel von 35 – 45 mmHg bei beatmeten Patient*innen

C – Circulation (Blutungen)

  • Wunden vollständig freilegen, um unerkannte Blutungen zu kontrollieren und die Wirksamkeit & Indikationen vorangegangener Maßnahmen zu überprüfen (ggf. Touniquet- oder Druckverbandanlage, wenn indiziert und noch nicht erfolgt)
  • wirksame & indizierte Tourniquets angelegt lassen, sofern Patient*innen innerhalb von < 2 h in endgültige medizinische Versorgung verlegt werden können
  • wenn Tourniquet indiziert, aber unwirksam (anhaltende Blutung oder tastbarer distaler Puls), entweder Tourniquet fester anziehen oder Anlage eines weiteren Tourniquets proximal zum ersten
  • wenn Tourniquet nicht indiziert, Tourniquet entfernen und andere Techniken zur Blutstillung anwenden
  • weiteres Vorgehen bzgl. Tourniquet, wenn sich die Evakuierung um > 2 h verzögert
    • CAVE: bei hämorrhagischen Schock erst sicherstellen, dass die Patient*innen positiv auf die Maßnahmen ansprechen, also z.B. verbesserter Bewusstseinszustand oder normale periphere Pulse (Kriterien für Konversion: Patient*in befindet sich derzeit nicht im hämorrhagischen Schock, Wunde kann anschließend genau überwacht werden, Tourniquet befindet sich nicht an (teil)amputierter Extremität UND zuvor keine erfolglosen Versuche, den Tourniquet zu entfernen)
    • Herabstufung: Wunde vollständig freilegen, geeignete Stelle mindestens 2 – 3cm oberhalb der proximalsten Verletzung bestimmen (nicht auf Gelenken), neuen Tourniquet direkt auf der Haut anlegen & festziehen, sobald der neue Tourniquet ordnungsgemäß angelegt ist vorherigen Tourniquet lockern, aber an Ort & Stelle belassen
    • Konversion: Wunde vollständig freilegen, Wunde vollständig mit hämostatischer Gaze abdecken & Druckverband ordnungsgemäß anlegen und dann vorherigen Tourniquet lockern, aber an Ort & Stelle belassen (einfache Gaze oder, falls verfügbar, Hämostatika)
    • CAVE: wenn Stauungsreduktion oder Konversion frustran ist, keine weiteren Versuche
  • alle Tourniquet-Stellen freilegen und Zeitpunkt der Anlage deutlich kenntlich machen

Tranexamsäure (TXA)

  • bei Verletzungen, die die möglicherweise eine erhebliche Bluttransfusion erforderlich machen (z.B. hämorrhagischer Schock bei penetrierendem Thoraxtrauma, Mehrfachamputation(en) und/oder Anzeichen schwerer unkontrollierter innerer oder äußerer Blutungen) Gabe von 2 g TXA so rasch wie möglich erwägen (CAVE: TXA-Gabe in < 3 h nach Verletzung)

C – Circulation (Schockbehandlung/Flüssigkeitstherapie)

  • erneute Untersuchung auf hämorrhagischen Schock (verändertes Bewusstsein bei fehlender Hirnverletzung, schwache/fehlende periphere Pulse und/oder veränderte Pulsart) –> Ziel ist permissive Hypotension bei Patient*innen ohne SHT (CAVE: bei permissiver Hypotension bei Schwangeren)
  • Anlage pVK, wenn nicht in der ITC-Phase erfolgt und der Zugang für Volumengabe oder Medikamentengabe notwendig ist
  • Fortführung der Flüssigkeitstherapie wie in der ITC-Phase, mit folgenden Ergänzungen
    • bei hämorrhagischem Schock & fehlenden Blutprodukten Flüssigkeitstherapie wie in ITC-Phase
    • bei hämorrhagischem Schock & vorhandenen Blutprodukten Gabe der Blutprodukte wie folgt: Plasma & EK im Verhältnis 1:1 oder frisches Vollblut über Infusionswärmer UND 1 g CaCl 10%ig oder 3 g CaGlu 10%ig langsam i.v.)
    • Flüssigkeitstherapie nach Bedarf fortsetzen, um Ziel-RR aufrechtzuerhalten oder klinische Verbesserung zu erreichen
    • bei Bewusstseinsstörung und (V.a.) schwerem SHT (GCS < 9) Hypotonie vermeiden –> aggressive Flüssigkeitstherapie mit dem Ziel verbesserter Bewusstsein, kräftige periphere Pulse oder RRsys > 110 mmHg SOWIE Lagerung mit 30 ° erhöhtem Oberkörper und Hals in Neutralposition (CAVE: zu enge Zervikalstütze oder abflussvermindernde Atemwegssicherung vermeiden)

Hypothermie-Prävention

  • Kälte-Exposition und daraus resultierenden Wärmeverlust minimieren
  • Aufschneiden/Entfernen von Kleidung vermeiden, außer dies ist für die Wundbeurteilung unbedingt erforderlich (eigene Ausrüstung soll, sofern möglich, bei Patient*in verbleiben)
  • Patient*innen zugedeckt, warm und trocken halten (isolierte Unterlage; wenn möglich, nasse Kleidung durch trockene ersetzen; falls verfügbar, Wärmegeräte, Decken, Jacken o.Ä. verwenden, die Wärme speichern und trocken halten)
  • wenn Volumentherapie i.v. erfolgt, sollte diese möglichst mit warmen Infusionen erfolgen

Monitoring

  • falls verfügbar, elektronische Überwachung einleiten (SpO2, HF, RR, EKG, etCO2 falls intubiert)
  • Vitalparameter dauerhaft erfassen & dokumentieren

Re-Assessment (regelmäßige Beurteilung)

  • Secondary Survey durchführen, um nach weiteren Verletzungen zu suchen und diese zu behandeln
  • Art & Ziel des Transports zur definitiven Versorgung bestimmen
  • bei (V.a.) Frakturen, diese schienen und die Pulse erneut überprüfen
  • Anlage Beckenschlinge bei Verdacht auf instabile Beckenfrakturen

Analgesie

  • für adäquate Analgesie sorgen, da angemessene Schmerzkontrolle physiologischen Stress reduzieren, posttraumatischen Stress verringern und chronische Schmerzsyndrome verhindern kann
  • leichte bis mäßige Schmerzen
    • nicht-pharmakologische Maßnahmen wie Kühlung, Hochlagerung und Bewegungseinschränkung als erste Maßnahme
    • orale Nicht-Opioid-Analgetika erwägen (CAVE: herkömmliche NSAR wie z.B. Aspirin oder Ibuprofen vermeiden)
    • Celecoxib (selektiver COX-2-Hemmer) kann als nicht-sedierendes orales Analgetikum in Betracht gezogen werden
    • Paracetamol oral/i.v. bietet wirksame Schmerzkontrolle, v.a. in Kombination mit anderen Nicht-Opioid-Analgetika
  • mäßige bis starke Schmerzen
    • Opioide wie Fentanyl, Morphin usw. in Betracht ziehen (CAVE: Nebenwirkungsprofil erfordert sorgfältige Titration & verstärkte Überwachung auf unerwünschte Nebenwirkungen wie Atemdepression oder Hypotonie; Naloxon griffbereit!!!)
    • Ketamin in schmerzstillenden Dosierungen auf allen Applikationswegen erwägen (initial 25 – 50 mg i.v./i.n./i.m. alle 15 min titriert bis die Schmerzkontrolle erreicht ist; bei Dysphorie ggf. niedrig dosiert Benzodiazepine)
    • Analgetika-Gabe unter Verwendung eines multimodalen Ansatzes zur Schmerzkontrolle sollte ernsthaft in Betracht ziehen (Verwendung von Analgetika mit unterschiedlichen, aber sich gegenseitig verstärkenden Wirkmechanismen können in niedrigeren Dosen mit weniger Nebenwirkungen bei gleicher/besserer Schmerzkontrolle verwendet werden)
    • CAVE: Hypotonie-Gefahr bein Opioid-Gabe bei traumatischen Hirnverletzungen
    • gleichzeitige Antiemetika-Gabe erwägen
  • Analgetika-Gabe unter Verwendung eines multimodalen Ansatzes zur Schmerzkontrolle sollte ernsthaft in Betracht ziehen (Verwendung von Analgetika mit unterschiedlichen, aber sich gegenseitig verstärkenden Wirkmechanismen können in niedrigeren Dosen mit weniger Nebenwirkungen bei gleicher/besserer Schmerzkontrolle verwendet werden)
  • CAVE: Hypotonie-Gefahr bein Opioid-Gabe bei traumatischen Hirnverletzungen
  • gleichzeitige Antiemetika-Gabe erwägen
  • bei vorhandener Expertise periphere Nervenblockaden (Handgelenk, Knöchel, Finger) in Betracht ziehen, um gute Schmerzkontrolle zu erreichen, ohne dass es zur Atemdepression oder Bewusstseinsveränderungen kommt

Verbrennungen

  • Maßnahmen und Flüssigkeitstherapie wie in ITC-Phase
  • bei (V.a.) Rauchgasinhalations (v.a. in geschlossenen Räumen)
    • hochdosierte O2-Gabe bei signifikanten Zeichen von Rauchinhalation & CO-Intox
    • Gabe eines Zyanid-Antidots in Betracht ziehen
  • bei V.a. chemische Exposition (z.B. Zyanid) auf Ausgasung der Patient*innen im Evakuierungsfahrzeug achten
  • bei V.a. auf Inhalationstrauma (z.B. Ödem im Mund, Heiserkeit, Stridor, Halsschmerzen, Ruß im hinteren Rachenraum, Atembeschwerden) oder längerer Evakuierungszeit frühzeitiges Atemwegssicherung erwägen

Schädel-Hirn-Trauma

  • Vermeidung von Hypotonie (RRsys < 110 mmHg) und Hypoxie (SpO2 < 90 %)
  • Lagerung mit 30 ° erhöhtem Oberkörper & Hals in Neutralposition (CAVE: zu enge Zervikalstütze oder abflussvermindernde Atemwegssicherung vermeiden)
  • bei schweren Herniationszeichen Gabe von 3 – 5 cc/kg einer hypertonen Kochsalzlösung 3 % als Bolus und 1 g/kg Mannitol 20% als Bolus sowie Hyperventilation mit PaCO2 von 30 – 35 mmHg
  • Anfallsprophylaxe/-behandlung, falls möglich

Transport

  • Umgebungsfaktoren für sichere und zügige Evakuierung berücksichtigen
  • Patient auf Trage, Spineboard o.Ä. sichern
  • bei vertikaler Extraktion angemessene Sicherung sicherstellen

Kommunikation

  • Patient*innen ermutigen, beruhigen und weitere Schritte erklären
  • aufnehmende Einrichtung über Verletzungen, Patient*innenzustand und erfolgte Maßnahmen informieren

Reanimation

  • Reanimation kann bei Evacuation Care größere Rolle spielen, v.a. bei Patient*innen mit Stromschlag, Unterkühlung, nichttraumatischem Herzstillstand oder Ertrinken
  • bei Patient*innen mit Thorax-/Polytrauma, die weder atmen noch einen Puls haben, beidseitige Nadeldekompression oder Fingerthorakostomie erwägen, um sicherzustellen, dass Spannungspneumothorax nicht die Ursache für den Herzstillstand ist, bevor die Maßnahmen eingestellt werden

Dokumentation

  • Dokumentation von klinische Beurteilungen, durchgeführten Maßnahnen und Zustandsänderungen in Übereinstimmung mit örtlichen Protokollen
  • Informationen zusammen mit den Patient*innen an die nächste Versorgungsstufe weiterleiten
Published inLeitlinien kompakt

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