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Leitlinie „Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne“ der DGN & DMKG

veröffentlichende Fachgesellschaft: Deutsche Gesellschaft für Neurologie & Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft
Klassifikation gemäß AWMF: S1
Datum der Veröffentlichung: 18.10.2022
Ablaufdatum: 31.12.2026
Quelle/Quelllink: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/030-057

Definition

  • heftige, häufig einseitig (1/3 der Patienten beidseitig) pulsierend-pochende Kopfschmerzen, die bei körperlicher Betätigung an Intensität zunehmen
  • Wechsel der Seite innerhalb von Attacken möglich
  • Intensität der Attacke stark variabel
  • Dauer zwischen 4 und 72 Stunden; bei Kindern eher kürzere, auch bilaterale Attacken und ggf. auch ohne Kopfschmerz, nur mit Übelkeit, Erbbrechen und Schwindel

weitere Symptome

  • Appetitlosigkeit (fast immer)
  • Übelkeit (80 %)
  • Erbrechen (40 – 50 %)
  • Lichtscheu (60 %)
  • Lärmempfindlichkeit (50 %)
  • Überempfindlichkeit ggü. bestimmten Gerüchen (10 %)
  • Zeichen der Aktivierung des Parasympathikus (82 %), z.B. am häufigsten leichtes Augentränen

Therapie

Therapie-Algorithmus

Quelle: Diener H.-C., Förderreuther S, Kropp P. et al., Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne, S1-Leitlinie, 2022, DGN und DMKG, in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Online: www.dgn.org/leitlinien (abgerufen am 14.01.2023)

5-HT1B/1D-Agonisten (Triptane)

  • Medikamente mit der besten Wirksamkeit in der Akuttherapie der Migräne mit oder ohne Aura
  • sofern die Patient*innen Triptane als Dauermedikation besitzen, aber nicht mehr in der Lage sein sich diese selbst zu applizieren, sollte, falls möglich, die Therapie nach persönlichem Therapieplan initiiert werden
    • 3 mg oder 6 mg Sumatriptan s.c. stellt wirksamste und am schnellsten wirksame Therapie akuter Migräneattacken dar
    • 40 mg Eletriptan und 10 mg Rizatriptan sind die am schnellsten wirksamen oralen Triptane
  • Therapie sollte so schnell wie möglich initiiert werden, da die Wirksamkeit bei frühstmöglicher Einnahme am höchsten ist
    • keine Wirksamkeit bei Einnahme in der Aura-Phase
  • abzuklären ist ein ggf. bestehender Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln
    • ≥ 10 Einnahmetagen/Monat bei Triptanen und Kombinationsanalgetika
    • ≥ 15 Einnahmetagen/Monat bei Monoanalgetika
  • Nebenwirkungen
    • Engegefühl im Bereich der Brust und des Halses
    • Parästhesien der Extremitäten
    • Kältegefühl
    • lokale Reaktionen an der Injektionsstelle bei s.c.-Applikation
  • Kontraindikationen
    • unzureichend behandelte Hypertonie, koronare Herzerkrankung, Angina pectoris, Myokardinfarkt in der Vorgeschichte
    • schwere Leber- oder Niereninsuffizienz
    • multiple vaskuläre Risikofaktoren
    • innerhalb von 2 Wochen nach Absetzen eines MAO-Hemmers
    • M. Raynaud & pAVK
    • TIA oder Schlaganfall
    • Schwangerschaft, Stillzeit

Antiemetika

  • Metoclopramid
    • Dosierung und Applikationsweg
      • 10 mg p. o.
      • 10 mg rektal
      • 10 mg i. m. oder i. v.
      • max. Tagesdosis: 30 mg
    • Nebenwirkungen
      • frühes dyskinetisches Syndrom
      • Unruhezustände
    • Kontraindikationen
      • Kinder & Jugendliche < 18 Jahren
      • Hyperkinesen
      • Epilepsie
      • Schwangerschaft
      • Prolaktinom

Analgetika

  • ASS, NSAR & Kombinationspräparate mit Koffein sind akut wirksam
    • Wirkung von ASS und Ibuprofen am besten belegt (leichtere und mittelstarke Migräneattacken primär mit diesen Medikamenten behandeln)
    • keine Verwendung von Opioid-Analgetika
    • abzuklären ist ein ggf. bestehender Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln
      • ≥ 10 Einnahmetagen/Monat bei Triptanen und Kombinationsanalgetika
      • ≥ 15 Einnahmetagen/Monat bei Monoanalgetika
    • 900 – 1000 mg ASS p.o. mit/ohne MCP
    • 1000 mg ASS i.v. mit/ohne MCP
    • 200, 400 oder 600 mg Ibuprofen p.o.
    • 1000 mg Metamizol i.v. mit/ohne MCP
    • 1000 mg Paracetamol p.o.

Sondersituationen in der Akuttherapie

Migräneattacken bei Kindern und Jugendlichen

  • kurzen Migräneattacken (< 3 h) durch Kühlen von Stirn und Schläfen und Schlaf behandeln
  • 10 mg/kgKG Ibuprofen
  • 15 mg/kgKG Paracetamol (2. Wahl)
  • Behandlung mit Triptanen in Form von Nasensprays ab dem 12. Lj. möglich

Behandlung von Migräneattacken als Notfall

  • ASS i. v.
  • Triptane s. c.
  • Metoclopramid
  • Metamizol i. v.
  • bei Status migraenosus: 50 – 100 mg Prednison oder 4 – 8 mg Dexamethason i. v.

Behandlung von Migräneattacken in der Schwangerschaft

  • leichte Migräneattacken durch Reizabschirmung und Ruhe behandeln
  • MCP bei Übelkeit und Erbrechen während der gesamten Schwangerschaft
  • Acetylsalicylsäure, Ibuprofen oder Metamizol nur im 1. & 2. Trimenon
  • Paracetamol nur, wenn keine anderen Medikamente zur Verfügung stehen
  • aktuell keine Hinweise bzgl. Fehlbildungen oder anderen Komplikationen bei Applikation von Triptanen (Sumatriptan p.o., i.n., s. c.)

Behandlung der Migräneattacke in der Stillzeit

  • leichte Migräneattacken durch Reizabschirmung, Ruhe, Entspannung und Eispackungen behandeln
  • keine Gabe von Antiemetika wie Metoclopramid oder Dimenhydrinat
  • bei kurzfristiger Anwendung von ASS oder Ibuprofen ist keine Unterbrechung des Stillens notwendig
  • keine Gabe von Triptanen

Behandlung der Migräneattacke bei menstrueller Migräne

  • Therapie ist gleich zur Standard-Therapie
Published inLeitlinien kompakt

Ein Kommentar

  1. Simon Jacobs Simon Jacobs

    Moin, in der Abbildung am Anfang stehen unter „Analgetika p.o.“ u.a. das ASS iv. (siehe Text), ist ein wenig verwirrend. Ähnlich beim Paracetamol 1g. Dort ist ja iv. und po. möglich, aber nur po. bei unverträglichkeit NSAR emfpohlen, iv. ist einer Placebobehandlung nicht überlegen (Vgl. S21 „In einer kleineren RCT war 1000 mg Paracetamol i.v. einer Placebobehandlung nicht überlegen (130).“)

    Sonst super Artikel, sehr übersichtlich. Danke für eure Arbeit <3

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