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Leitlinie „Transiente globale Amnesie“ der DGN

veröffentlichende Fachgesellschaft: Deutsche Gesellschaft für Neurologie
Klassifikation gemäß AWMF: S1
Datum der Veröffentlichung: 31.10.2022
Ablaufdatum: 31.12.2025
Quelle/Quelllink: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/030-083

Grundsätzliches

  • plötzlich einsetzende, retrograde und anterograde Amnesie für Zeitraum von einer bis max. 24 h (im Mittel ca. 6 – 8 h)
  • Akutsymptomatik i.d.R. am Folgetag zurückgebildet
  • Inzidenz zw. 3 – 8 pro 100.000 Einwohner pro Jahr
    • überwiegend in der Altersgruppe 50 – 70 Jahre (ca. 75 %)

Ursachen/Auslöser

  • ausgeprägte körperliche Anstrengungen
  • emotional-psychische Belastungen
  • Sprung ins kalte Wasser
  • Geschlechtsverkehr

Pathophysiologie

  • Ursache bisher unbekannt, wahrscheinlich multifaktorielle Genese
  • wahrscheinlich Kombination aus passageren Funktionsstörung mediobasaler Temporallappenanteile
  • zerebrale Ischämie als Ursache eher unwahrscheinlich
  • Verbindung zwischen Migräne und Amnesie nicht abschließend und ausreichend belegt

Symptomatik

  • Betroffene zu Zeit und Situation häufig nicht, zur Person jedoch immer orientiert
  • keine Vigilanzminderung, Patient*innen sind wach und kontaktfähig
  • Patient*innen erscheinen ratlos und beunruhigt
  • Patient*innen stellen wiederholt Fragen nach der Zeit und situativen Umständen
  • anterograde Amnesie = während Episode ist Behaltensspanne für neue Informationen auf 30 – 180 sec reduziert
  • retrograde Amnesie = Zugriff auf alte, vor der transienten globalen Amnesie erworbene Gedächtnisinhalte gestört
    • Ereignisse aus jüngerer Vergangenheit i.d.R. stärker betroffen
    • während Episode können komplexe, zuvor erlernte Tätigkeiten ausgeführt werden (z.B. Auto fahren)
  • ggf. Begleitsymptome wie
    • Übelkeit
    • Schwindel
    • Kopfschmerzen
  • Beschwerden an Folgetagen wie
    • Erschöpfbarkeit
    • Nervosität
    • Reizbarkeit

Diagnose

Ziel ist der Diagnostik ist herauszufinden, ob lediglich eine isolierte Gedächtnisstörung vorliegt oder ob es sich…

  • um Begleitsymptome einer umfassenderen akuten neurologischen Schädigung handelt (z.B. beginnende Herpesenzephalitis, hypoaktives Delir, cerebrale Ischämie mit Beteiligung des Temporallappens, SHT, etc.)
  • um fluktuierende, aber vorbestehende Symptome (z.B. bei M. Alzheimer, Korsakow-Syndrom) handelt

Diagnosekriterien

  • akut beginnende und ausgeprägte Neugedächtnisstörung
  • Dauer: min. 1 h, Rückbildung innerhalb von 24 h
  • vorangegangene anstrengende körperliche oder emotionale Ereignisse
  • selektiver Gedächtnisverlust (z.B. 3-Wörter-Test/Wortliste, retrogrades Gedächtnis)
  • keine fokal-neurologischen Symptome/Defizite und zusätzlichen kognitiven Defizite
  • keine Bewusstseinsstörung oder Desorientierung zur Person
    • Patient stellt wiederholt die gleichen Fragen
  • Patient ist kooperativ und kann Dinge benennen

Ausschlusskriterien

Symptome, die über isolierte Gedächtnisstörung mit antero- und retrograder Amnesie und leichte vegetative Beschwerden hinausgehen

  • vorangehendes Trauma oder Epilepsie
  • weitere neurologische Symptome oder fokal-neurologische Defizite (starke Kopfschmerzen, Erbrechen, Verwirrtheit)
  • quantitative oder qualitative Bewusstseinsstörungen, andere kognitive Störungen (Somnolenz)
  • Fieber
  • Hinweise auf metabolische Störungen (inkl. Elektrolytstörung), Trauma oder bekannte Epilepsie
  • Patient kann Details und Zeitgang des akuten amnestischen Intervalls schildern
  • alleinige retrograde Amnesie
  • Hinweise auf häufigere amnestische Episoden (> 3/Jahr)
  • inkomplette Rückbildung nach mehr als 24 h

Differentialdiagnosen

  • SHT (Hinweise für Trauma, Prellmarken, vorausgehende Bewusstlosigkeit)
  • Intoxikationen, Medikamentennebenwirkungen
  • Hypoglykämie
  • Initialstadium Herpesenzephalitis
  • Blutung/Ischämie im Bereich von Hippocampus und Thalamus
  • psychogene bzw. dissoziative Gedächtnisstörungen

Therapie

  • ambulante Behandlung, wenn Symptomatik rückläufig, klinische Diagnose sicher und Patient*in unter Aufsicht einer Bezugsperson bleibt
  • stationäre Therapie bei differenzialdiagnostischen Erwägungen und klinisch bzw. anamnestisch unsicherer Abgrenzung (z.B. transienten epileptischen Amnesie) und fehlender Überwachungsmöglichkeit im häuslichen Umfeld
    • stationäre Überwachung für min. 24 h
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