veröffentlichende Fachgesellschaft: Royal College of Emergency Medicine
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 02.10.2023
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://rcem.ac.uk/clinical-guidelines/
Grundsätzliches
- akute Verhaltensstörung, früher auch als exzitiertes Delir oder Erregungsdelirium bezeichnet
- keine alleinige Diagnose oder Syndrom, sondern klinisches Bild mit Vielzahl von Erscheinungsmerkmalen und möglichen Ursachen
Symptomatik
- Unruhe
- ständige körperliche Aktivität
- bizarres Verhalten (inkl. Paranoia, Hypervigilanz)
- Furcht, Panik, Angst
- ungewöhnliche oder unerwartete Stärke
- anhaltendes Ungehorsam
- erhöhte Schmerztoleranz
- taktile Hyperthermie und/oder Schwitzen
- Tachypnoe
- Tachykardie
Anamnese
- beobachtete Verhaltensweisen, die spezifisch sind für akute Verhaltensstörung
- Versuche einer verbalen oder anderer Arten von Deeskalation
- Beurteilung der kongnitiven Leistungsfähigkeit
- angewendete Zwangsmaßnahmen mit Dauer & Indikation
- ggf. hinzugezogene weitere Kräfte, v.a. Polizei (inkl. Gewaltanwendung etc.)
- medikamentöse Therapie und etwaige unerwünschte Ereignisse
- ggf. zusätzliche toxikologische oder traumatische Auffälligkeiten (inkl. Taser-Wunden etc.)
Risikofaktoren
- Drogenintoxikation und/oder Substanzentzug
- psychische Erkrankungen
- Serotonin-Syndrom
- Hypoxie
- Hypoglykämie
- Elektrolytstörung
- Sepsis
- Kopfverletzung
- anticholinergisches Syndrom
- malignes neuroleptisches Syndrom
- thyreotoxische Krise
- Hitzschlag
- Krampfanfall
Therapie
- CAVE: Eigenschutz geht vor! (ggf. Nachforderung der Polizei)
- ruhiges Setting schaffen (Berücksichtigung der Risikowahrnehmung der Betroffenen)
- Fluchtmöglichkeiten für Helfende gegeben
- – ruhige, reizarme, nicht zu warme Umgebung
- keine beweglichen, als Waffe zu benutzende Gegenstände
- Versuche der Deeskalation auf verschiedenen Ebenen (ggf. Einbindung von Familie & Freunden; CAVE: Deeskalation ist kontinuierlicher Prozess, also ggf. mehre Versuche nötig)
- ggf. Fixierung (CAVE: Fixierung so schnell wie möglich wieder beenden; CAVE: bei Fixierung in Bauchlage o.Ä. auf Erstickungsrisiko achten)
- körperliche Untersuchung bzgl. traumatischer Verletzungen und Hinweisen auf Intoxikation
- Diagnostik mit SpO2, RR, BZ, Temperatur, Pupillenkontrolle, EKG
Ansätze für die Deeskalation
- Privatsphäre respektieren
- Ausweg lassen
- außerhalb der direkten Reichweite bleiben
- kein provokantes Verhalten
- nicht-konfrontative Körpersprache
- Hände sichtbar haben
- keine Beleidigungen und/oder Streit provozieren
- bedachte Kommunikation
- Gespräch nur durch ein*e Mitarbeiter*in
- Erklärung, weswegen man vor Ort ist und für die Patient*innen da ist
- präzise Kommunikation (kurze Sätze, Zeit zum Antworten geben, ggf. Wiederholungen)
- genau zuhören und ggf. nochmals genauer erklären
- klar und deutlich kommunizieren, aber nicht drohen
- Wünsche, Gefühle, Erwartungen erkennen und berücksichtigen
- Wahlmöglichkeiten anbieten und Optimismus ausstrahlen
medikamentöse Therapie
- „rasche Beruhigung“ von großer Relevanz, um weitere Überstimulation des Sympathikus und übermäßige Muskelaktivität zu verhindern, welche zu metabolischer Exazerbation und anschließendem kardiovaskulären Kollaps führen
- „rasche Beruhigung“ ermöglicht zusätzlich Untersuchungen und weitere Therapie sowie Schutz vor Eigengefährdung
- Wahl des Medikaments unter Berücksichtigung von Wirkeintritt, Nebenwirkungen und Verabreichungsvolumen sowie der eigenen Erfahrung hinsichtlich der Verwendung
- 4 mg/kg Ketamin (i.v. oder i.m.) oder 5 – 10 mg Droperidol (i.m.) als Mittel der ersten Wahl
- ggf. alternativ 5 mg Haloperidol + 2 mg Lorazepam i.m. bzw. 5 – 10 mg Midazolam i.m. oder 4 mg Lorazepam i.m. als Einzelgaben
- CAVE: Apnoe, Atemwegsobstruktion oder Notwendigkeit einer Intubation berücksichtigen
- Indikationen für Narkoseeinleitung und Intubation (Ketamin bevorzugen; Suxamethonium & Opioide vermeiden)
- Atemwegssicherung notwendig
- unzureichende Spontanventilation (schlechte Oxygenierung, Vermeidung von Hyperkapnie)
- schwere Erregung trotz maximaler Sedativagabe
- anhaltende Stoffwechselentgleisung
- Hyperthermiebehandlung sonst nicht möglich
- Dosierungen zur Aufrechterhaltung der Sedierung im intensivmedizinischen Setting
- 0,3 mg/kg Diazepam titriert i.v. oder oral (bei Bedarf wiederholen)
- 0,03 mg/kg Lorazepam titriert i.v. oder oral (bei Bedarf wiederholen)
- 2,5 mg Haloperidol i.m. (1,25 mg i.m. bei älteren Menschen) oder 2 mg oral (1 mg oral bei älteren Menschen), ggf. wiederholen
- 5 – 10 mg Olanzapin i.m. oder oral (2,5 – 5 mg bei älteren Menschen) mit bis zu zwei Wdh. innerhalb von 24 h
- 25 – 50 mg Chlorpromazin i.v./i.m. bei V.a. Stimulanzienintox oder serotonergem Syndrom
Be First to Comment