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Leitlinie „Multiple trauma management in mountain enviroments“ der ICAR MEDCOM

veröffentlichende Fachgesellschaft: International Commission for Mountain Emergency Medicine
Datum der Veröffentlichung: 14.12.2020
Ablaufdatum: 13.12.2025
Quelle/Quelllink: https://icar-med.com/Recommendations/Current-Recommendations/Multiple-trauma-management-ICAR-MED-REC-0037-2020/

Grundsätzliches

  • Gelände, Wetter, Transportbedingungen und begrenzte Ressourcen bei der Behandlung eines polytraumatisierten Patienten in den Bergen berücksichtigen
  • Sicherheit der Rettungskräfte vor Ort hat Vorrang vor allen anderen Überlegungen/Maßnahmen (Helmpflicht sowie Verwendung zusätzlicher Sicherheitsausrüstung, um Verletzungen und ‚Infektionen zu vermeiden
  • in gefährlicher Umgebung die Strategie „grab and go“ der Strategie „stabilise on site“ vorziehen

(critical) Bleeding

  • zuerst manuelle Kompression und eskalierend mit Tourniquet fortfahren (Konversion erst im Krankenhaus)
  • bei Beckenfrakturen Beckenschlinge verwenden
  • TXA innerhalb von 3 Stunden nach dem Trauma verabreichen
  • Desmopressin erwägen bei Patienten mit Thrombozytenaggregationshemmer-Einnahme, mit von Willebrand-Krankheit (2A) und bei hypothermieinduzierter Koagulopathie
  • Gabe von Fibrinogen anstelle von GFP erwägen
  • Verabreichung eines Prothrombinfaktorkonzentrats in Betracht ziehen
  • ggf. Umkehrung der Vitamin-K-Inhibition oder der Wirkung von anderen neuen oralen Antikoagulanzien
  • Verwendung von hämostyptischer Gaze statt einfacher Verbände

Atemwegsmanagement

  • durchgehende Aufrechterhaltung eines freien Atemweges
  • prähospitale endotracheale Intubation nur durch erfahrene Anwender
  • vorsichtige Rettung/Bergung bei Patienten mit gefährdetem oder schon gesichertem Atemweg
  • Verwendung eines Videolaryngoskop erwägen
  • supraglottische Atemwegshilfe als Alternative zur ETI erwägen
  • Verwendung der Kanpnografie zur Aufrechterhaltung der Normokapnie
  • keine HWS-Immobilisierung eines neurologisch unauffälligen Patienten mit penetrierendem Trauma
  • HWS mittels manueller Inline-Stabilisierung, SAM-Splint oder Halskrause immobilisieren

Beatmung

  • Sauerstoff insbesondere in großer Höhe (> 2500 m) mitführen
  • normale lungenprotektive Beatmung mit Herstellung von Normoxie und Normokapnie bei Patienten mit traumatischen Hirnverletzungen
  • Erkennen von Atemnot und Verwendung eines Pulsoximeter zur Minimierung einer Hypoxie
  • mögliche kritische Ausdehnung eines Pneumothorax während einer Hubschrauberevakuierung ab bestimmten Flughöhen berücksichtigen
  • Spannungspneumothorax oft Ursache bei schweren Atmungs-/Kreislaufbeeinträchtigungen; sofort dekomprimieren
  • Ultraschalluntersuchung zur Behandlung von Atemwegsproblemen und zur Erkennung von Pneumo- und Hämothorax erwägen

Kreislauf

  • Aufrechterhaltung der Oxygenierung und Perfusion (MAP > 65 mmHg)
  • permissive Hypotonie bei unkontrollierten Blutungen anstreben; grundsätzlich systolischen Blutdruck ≥ 110 mmHg aufrechterhalten
  • Anlage von min. einem großlumigen pVK zur Flüssigkeitstherapie; ggf. auf i.o.-Zugang ausweichen, wenn ein i.v.-Zugang nicht möglich ist
  • Verwendung von POCUS für Gefäßzugänge empfohlen
  • rasche Volumensubstitution zur Wiederherstellung der kardialen Vorlast unter der Berücksichtigung schädlicher Auswirkungen kalter Flüssigkeiten
  • bei Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma ohne kritische Blutungen Norepinephrin in Betracht ziehen, um den zerebralen Perfusionsdruck bei längerem Transport aufrechtzuerhalten
  • Durchführung einer FAST-Sonografie bei Patienten im Schock erwägen

Ganzkörperuntersuchung

  • Unterkühlung vermeiden
  • abwägen, ob vollständiges Entkleiden hilfreich ist; ggf. Körperregionen nacheinander untersuchen, dadurch Wärmeverluste vermeiden und isolierende Kleidung aufbewahren
  • wenn kein geeignetes Thermometer zur Verfügung steht, Verwendung des Schweizer Stufensystem, um die Körperkerntemperatur abzuschätzen
  • Ohrthermometer sind für die Überwachung der Kerntemperatur zuverlässig, wenn sie für den Einsatz in kalten Umgebungen konzipiert sind
  • bei Patienten mit gesicherten Atemwegen Messung der Kerntemperatur mit Ösophagussonde
  • falls verfügbar Wiedererwärmungsgeräte nutzen
  • Verwendung von Algorithmen, um Patienten mit Patienten mit dem Risiko sekundärer Wirbelsäulenverletzungen zu identifizieren und zu immobilisieren
  • Ruhigstellung der Wirbelsäule bei allen Patienten mit multiplen Traumata und verändertem Bewusstseinszustand
  • keine Immobilisierung von Patienten mit stumpfem Trauma, die die Kriterien für eine Immobilisation nicht erfüllen
  • Nutzung einer Vakuummatratze für einen langen, bequemen Transfer anstatt des Spineboards
  • KED-System o.Ä. zur Bergung von Patienten situativ erwägen
  • Nutzung von POCUS zur Diagnostik von Frakturen und bei multiplen Traumata erwägen, ohne Verzögerung des Transportes
  • frühzeitige Schienung von Verletzungen zur Verringerung von Schmerzen und des Blutverlust
  • Verwendung von Vakuumschienen in Betracht ziehen

Schmerzmanagement

  • nicht-pharmakologische Maßnahmen erwägen
  • Ketamin und andere Nicht-Opioid-Analgetika in Betracht ziehen
  • Opioide mit Bedacht einsetzen
  • Regionalanästhesie im Gebirge erwägen, insbesondere bei schmerzhaften Verletzungen während langwieriger, schwieriger Bergung oder während der Reposition von Frakturen und Gelenken
  • Regionalanästhesie kann indiziert sein, um hämodynamische oder respiratorische Beeinträchtigungen im Zusammenhang mit einer systemischen Analgesie zu vermeiden; Ultraschallnutzung hierbei empfohlen

Transport

  • Verwendung einer leichten und stabilen Trage
  • Transport in vertikaler Position vermeiden, da dies zu Hypotonie führen kann, insbesondere bei starken Blutungen
  • Transport von Patienten mit Wirbelsäulenverletzungen, hämodynamischer Instabilität oder traumatischen Hirnverletzungen mit dem Hubschrauber
  • situative Abwägung der Vorteile der Luftrettung gegenüber den damit verbundenen Risiken
Published inLeitlinien kompakt

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