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Leitlinie „Treatment of Acute Pain in Austere Environments“ der WMS (Update 2024)

veröffentlichende Fachgesellschaft: Wilderness Medical Society
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 23.04.2024
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://doi.org/10.1177/10806032241248422

nicht-medikamentöses Schmerzmanagement

psychosoziale Interventionen

  • Erlernen und Anwenden relevanter psychologischer Erste-Hilfe-Techniken zur Behandlung von Schmerzen im unwegsamen Gelände (siehe Tabelle/ABCDE-Schema zur Psychologischen Ersten Hilfe)
AAnchoring, Attention & Acknowledgement
(Verankerung, Aufmerksamkeit und Anerkennung)
Patient*innen Aufmerksamkeit schenken und sich für ihr Wohlbefinden verantwortlich fühlen und deren Notlage anerkennen
BBreathing (Atmung)– zu kontrollierter Atmung
(Atemtiefe & AF) ermutigen
– bei schneller, flacher Atmung
oder Hyperventilation intervenieren
CControl & Cognitive Shift
(Kontrolle und kognitive Verschiebung)
– Patient*innen Rolle anbieten, die ihnen Kontrolle über die Situation zurückgibt
– Patient*innen aus der kognitiven Verzerrung bzw. der Katastrophisierung der Situation helfen
DDecrease nociception, Distract, Diffuse (Verminderung der Nozizeption, Ablenkung, Diffusion)– Nutzung andere pharmakologische/nicht-pharmakologische Interventionen zur Analgesie
– Patient*innen von der Schmerzquelle ablenken
– Spannung durch Einfühlungsvermögen und Humor abbauen
EExplanations and Expectations (Erklärungen und Erwartungen)– Patient*innen alles was passiert erklären (Maßnahmen, Transportvorgehen etc.)
Quelle: https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/10806032241248422

Schienung, Bandagieren, Ruhigstellung, Kältetherapie

  • Nutzung des PRICE-Protokolls bei akuten Verletzungen des Bewegungsapparats als Schmerztherapie erster Wahl
    • P – Protection (Schutz vor weiteren Verletzungen)
    • R – Relative rest (Ruhigstellung mittels Taping und/oder Schienung)
    • I – Ice (Kühlung)
    • C – Compression (Kompression mit elastischem Verband oder Kompressionsstrumpf)
    • E – Elevation (Hochlagerung über die Herzhöhe)
  • Nutzung des MEAT-Protokolls zur Behandlung isolierter Bänder- und Sehnenverletzungen nach Ausschluss von Frakturen
    • M – Movement (Bewegung)
    • E – Exercise (Training)
    • A – Analgesics (Analgetika)
    • T – Treatment/Therapy (finale Behandlung/Therapie)

medikamentöses Schmerzmanagement

Paracetamol (Acetaminophen)

  • Paracetamol-Gabe auf Tageshöchstdosis von 60 mg/kg oder 4 g in vier Einzeldosen beschränken (unabhängig der Darreichungsform und dem Applikationsweg)
  • Paracetamol im unwegsamen Geländen, wenn möglich, per os verabreichen (alternativ rektal als Zäpfchen oder rektal mit p.o.-Tablette)

NSAR

  • NSAR als First-Line-Therapie bei leichten bis starken Schmerzen im unwegsamen Gelände
  • niedrigste wirksame Dosis für die kürzestmögliche Dauer verwenden, um unerwünschte Wirkungen zu minimieren
    • 200 – 400 mg Ibuprofen nach Bedarf alle 6 h oral (bei Kindern: 5 – 10 mg/kg)
    • 550 mg Naproxen, gefolgt von 250 mg alle 12 h oral für Erwachsene und 5 mg/kg alle 12 h für Kinder (max. 10 mg/kg/d)
    • 7,5 – 15 mg Meloxicam oral nach Bedarf einmal tgl.
    • 15 mg Ketorolac i.v. ODER 30 mg Ketorolac i.m. alle 6 h
  • keine NSAR-Gabe bei bekannter Nierenfunktionsstörung, Schwangerschaft oder adipositaschirurgischen Eingriffen in der Vorgeschichte oder GI-Blutungen

synergistische Effekte von Paracetamol und NSAR

  • Kombination aus Paracetamol & NSAR bei mittelschweren bis schweren akuten Schmerzen in Betracht ziehen

Opioide

  • Einsatz von Opioid-Analgetika nach Abwägung der Risiken gegen den Nutzen
  • Einsatz von Opioid-Analgetika nur, wenn Erkennen und Behandeln der Atemdepression möglich ist (bei nicht-oraler Gabe muss Naloxon zur Verfügung stehen)
  • Gabe von Opioiden p.o. oder Opioid-Paracetamol-Kombinationstherapie zur Behandlung akuter starker Schmerzen
  • Nutzung von oralem transmukosalen Fentanylcitrat (OTFC) in Lutschtablettenform zur sicheren und wirksamen Schmerzbehandlung
  • Nutzung von intranasalem Fentanyl zur sicheren und wirksamen Schmerzbehandlung (0,2 – 0,3 mL pro Nasenloch aus 50 µg/mL-Fentanyl-Ampulle)
  • Nutzung von sublingualem Fentanyl und Sufentanil wahrscheinlich sicher und wirksam für die Schmerzbehandlung in der Outdoormedizin
  • keine Nutzung transdermaler Opioide für die Schmerzbehandlung im unwegsamen Gelände
  • Nutzung parenteraler Opioiden zur Analgesie bei akuten starken Schmerzen im unwegsamen Gelände, wenn Nutzen die Risiken überwiegt und konservativere Ansätze keine ausreichende Analgesie bieten

Ketamin

  • Gabe von Ketamin zur Kontrolle akuter starker Schmerzen im unwegsamen Gelände in schmerzkontrollierenden Dosen (0,1 – 0,5 mg/kg i.v. ODER 1 – 2 mg/kg i.m.; CAVE: Personal sollte in Anwendung erfahren sein und Atemwegskomplikationen behandeln können)

Lokalanästhetika

  • Nutzung von lokal instillierten und topisch applizierten Lokalanästhetika für eine sichere und wirksame Behandlung von Schmerzen bei Verbrennungen, Weichteilverletzungen und Stichen (gewichtsabhängige Höchstdosen, z.B. 4 – 5 mg/kg Lidocain, max. 300 mg/Dosis und 2400 mg/d)
  • ophthalmologische Lokalanästhetika für die Behandlung akuter Augen- und Ohrenschmerzen laut WMS geeignet

Regionalanästhesie

  • Durchführung einer outdoorgerechten Regionalanästhesie (field-expedient regional blocks; FERB) erwägen, wenn dieser von erfahrenen Ärzt*innnen mit dem erforderlichen Equipment
  • Nutzung tragbarer Ultraschallgeräte für FERBs, sofern diese verfügbar sind und die Durchführende die nötige Expertise haben
  • nach Regionalanästhesie Immobilisierung mit angemessener Polsterung, Dekubitusschutz/-kontrolle und regelmäßiger Beurteilungen der Durchblutung und Suche nach klinischen Anzeichen für Kompartmentsyndrom
  • Hämatomblock mit Lidocain 1 %ig in Höchstdosis von 1,5 – 2 mg/kg zur Reposition distaler Radius-/Ulnafrakturen
  • Field Block mit verdünntem Lokalanästhetikum zur sicheren Therapie akuter Schmerzen aufgrund von Weichteilverletzungen
  • Infiltration mit verdünntem Diphenhydramin (DPH), alternativ zu Lidocain, wenn dieses nicht verfügbar ist oder Kontraindikation besteht (CAVE: sedierende Wirkung berücksichtigen)
  • keine Gabe von Lidocain i.v.

inhalative Analgetika

  • Einsatz von N2O als sicheres und wirksames Analgetikum im unwegsamen Gelände für kurze schmerzhafte Eingriffe oder für begrenzte Zeiträume (Wirkungseintritt erfolgt schnell; klinisch signifikante Analgesie innerhalb von 5 min)
  • Einsatz von Methoxyfluran als sicheres und wirksames Analgetikum im unwegsamen Gelände (Wirkungseintritt innerhalb von 5 min & hält an, solange inhaliert wird –> Einzeldosis mit 3 mL hält für etwa 25 – 30 min; schnellerer Wirkungeintritt & vergleichbare oder bessere initiale Analgesie als Opiate oder Paracetamol i.v.)

weitere Medikamente

  • keine Gabe von Benzodiazepinen zur Behandlung von Schmerzen im unwegsamen Gelände

Eskalationsschema/-algorithmus

Quelle: https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/10806032241248422
Published inLeitlinien kompakt

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