veröffentlichende Fachgesellschaft: Joint Trauma System – Department of Defense Center of Excellence for Trauma
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 27.12.2021
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://jts.health.mil/index.cfm/PI_CPGs/cpgs
Definitionen
Atemmechanik/Physiologie der Atmung
- Atemantrieb
- normale AF = 12 – 20/min
- Atemantrieb wird über Rezeptoren im gesamten Körper gesteuert
- erhöhter intrakranieller Druck, Verabreichung von Opioiden und anderen Medikamenten können zu verringertem Atemantrieb führen
- Atemarbeit
- mechanische Arbeit, die zur Aufrechterhaltung der Oxygenierung und Ventilation erforderlich ist
- Schmerzen, Azidose und hypermetabolische Zustände verursachen erhöhte Atemarbeit
- nicht notwendigerweise pathologisch, kann aber darauf hinweisen, dass Patient*innen eine erhöhte CO2-Produktion aufweisen
- Tachypnoe infolge eines Schocks kann zur Ermüdung der Atemmuskulatur führen
- Lungencompliance
- Tendenz der Lunge, sich aus „aufgeblasenem“ Zustand zurückzubewegen
- Lungencompliance wirkt sich auf alle Funktionen des Atmungssystems aus
- Veränderungen der Lungencompliance können sowohl durch intrinsische als auch durch extrinsische Ursachen verursacht werden
- Atelektasen oder Flüssigkeit/Blut in den Alveolen können intrinsische Abnahme der Lungencompliance verursachen
- Fettleibigkeit, Schwangerschaft, Verbrennungen und Brustwandverletzungen können extrinsische Abnahme der Lungencompliance verursachen
- Verringerung der Lungencompliance kann unabhängig der Ursache zu Hypoxämie und Hyperkapnie führen
- Tidalvolumen (VT)
- Luftvolumen, das während einem Atemzug ausgetauscht wird
- Verringerung desTV kann durch äußeren Druck (z. B. Pneumothorax, Hämothorax, Spannungspneumothorax) verursacht werden, indem das Lungenvolumen effektiv reduziert wird
- dynamische Hyperinflation („Breath Stacking“) wird durch Unfähigkeit vollständig auszuatmen verursacht und kann zu „auto-positiven endexspiratorischen Druck“ (auto-PEEP) führen
- Oxygenierung
- erfolgreiche Bindung von Sauerstoff an Hämoglobin auf zellulärer Ebene in den Alveolen
- SaO2 (arterielle Sauerstoffsättigung) und SpO2 (Sauerstoffsättigung)
- erfolgreicher alveolärer Gasaustausch ermöglicht eine effiziente aerobe Atmung auf zellulärer Ebene in allen perfundierten Körpergeweben
- Diffusion/Austausch
- Prozess, bei dem an die roten Blutkörperchen gebundenes CO2 in den Alveolen durch O2 ausgetauscht wird
- pathologische Zustände wie Lungenödem, Lungenentzündung und ARDS können die Diffusion von Sauerstoff durch die Alveolarmembran beeinträchtigen
- Fraktion des eingeatmeten Sauerstoffs (FiO2)
- FiO2 von 0,21 = normale atmosphärische Luft enthält 21 % Sauerstoff
- Totraum
- jeder Teil der Atemwege, in dem kein Gasaustausch stattfindet wie:
- Rachen
- Kehlkopf
- Luftröhre
- Bronchien
- Beatmungsschläuche
- jeder Teil der Atemwege, in dem kein Gasaustausch stattfindet wie:
- Hypoxie
- Zustand von O2-Mangel im Gewebe, welcher signifikant genug ist, um Funktionsbeeinträchtigung zu verursachen
- vier Arten von Hypoxie
- hypoxische Hypoxie: tritt auf, wenn in der Umgebung nicht genügend O2 vorhanden ist oder wenn der abnehmende Luftdruck die Diffusion von O2 aus den Lungen in den Blutkreislauf verhindert
- hypoxämische Hypoxie: Verringerung der Sauerstofftransportkapazität des Blutes aufgrund verringerter roter Blutkörperchenzahl (z. B. Blutungen, Anämie) oder Beeinträchtigung der roten Blutkörperchen durch Kohlenmonoxidvergiftung (CO) usw.
- stagnierende Hypoxie: O2-Transportkapazität des Blutes ausreichend, aber Durchblutung unzureichend (z.B. hohe Gravitationskräfte, Herzinsuffizienz, Gefäßverschluss)
- histotoxische Hypoxie: resultiert aus Störung der O2-Verwertung durch das Körpergewebe, ausgelöst durch Zellgifte wie Alkohol oder Zyanid sowie Narkotika, die das Gewebe vergiften und Nutzung des verfügbaren O2 verhindern
Beatmungs-Termini
- Minutenvolumen: VT x AF = AMV
- inspiratorischer Spitzendruck (PIP)
- größter Druck in der Lunge während der Inspiration
- idealer Druck bei 30 mmHg oder kleiner
- Drücke > 35 mmHg können zu druckbedingten Lungenschäden (Barotrauma) führen
- erhöhte Spitzendrücke sind i.d.R. auf Zunahme des Widerstands innerhalb des Atmungssystems zurückzuführen (z.B. Spannungspneumothorax, Ödeme etc.)
- arterielles Blutgasanalyse (BGA)
- Goldstandard für die Beurteilung des Säure-Basen-Haushalts, der Oxygenierung, der Beatmung und der Anpassung der Beatmungsparameter
- pH-Wert: negativer dekadischer Logarithmus der Oxonium-Ionen-Konzentration
- Azidose (niedriger pH-Wert) führt bei Traumapatienten zu Koagulopathien sowie zur Entwicklung von potenziell tödlichen Herzrhythmusstörungen
- PaO2: gelöster Sauerstoff im Blut
- PaCO2: gelöstes Kohlendioxids im Blut
- HCO3: Bikarbonats im Blut (Puffer gegen Säuren)
- Base Excess: Hinweise auf metabolische Komponenten
- SaO2: prozentualer Anteil des an Hämoglobin gebundenen Sauerstoffs im arteriellen Blut
- etCO2: Kohlendioxid bei Exspiration am Ende des Tidalraums
- normale BGA-Werte
- pH-Wert (7,35 – 7,45)
- PaO2 (75 – 100 mmHg)
- PaCO2 (35 – 45 mmHg)
- HCO3 (22 – 26 mmol/L)
- Base Excess/-defizit (-4 bis +2)
- SaO2 (95 – 100%)
- Plateaudruck
- Druck, der während der mechanischen Überdruckbeatmung auf die kleinen Atemwege und Alveolen wirkt
- wird während einer Inspirationspause des Beatmungsgeräts gemessen
- erhöhtes Risiko für Barotrauma bei Plateaudruck > 35 cmH2O bei mechanisch beatmeten Patienten
Fachtermini bzgl. Beatmungsgeräten
- volumengesteuerte Modi
- Volumen ist konstant
- Inspiration wird beendet, wenn voreingestelltes VT erreicht ist
- Atemwegsspitzendruck ist variabel und erhöht sich nach Bedarf, um voreingestelltes VT zu erreichen
- druckgesteuerte Modi
- Volumen ist variabel und Volumegabe wird beendet, wenn der Luftstrom unter den Schwellenwert fällt
- Atemwegsspitzendruck ist fest, bestimmt durch den eingestellten Druckwert
- Tidalvolumen (VT)
- Gasvolumen, das während eines Atemzugs ausgetauscht wird
- üblicherweise in Millilitern angegeben
- im Allgemeinen auf 4 – 8 mL/kg ideales Körpergewicht eingestellt
- Frequenz (f)
- Atemfrequenz pro Minute (AF/min)
- Minutenvolumen
- durchschnittliche Gasvolumen, das pro Minute ausgetauscht wird
- VT x AF = Minutenvolumen
- normalerweise 5 – 10 L/min
- Inspirations- (I) und Exspirationszeit (E) und I:E-Verhältnis
- Zeitspanne, in der das VT abgegeben wird
- Einstellung einer kürzeren Inspirationszeit (I) führt zu einer schnelleren Inspirationsflussrate
- durchschnittliche Inspirationszeit eines Erwachsenen beträgt 0,7 bis 1 Sekunde
- I:E-Verhältnis normalerweise 1:2
- positiv endexpiratorischer Druck (PEEP)
- positive Druck, der bei der Endexspiration aufrechterhalten wird
- angegeben in Zentimetern Wasser (cmH2O)
- Zweck des PEEP besteht darin, das endexspiratorische Lungenvolumen zu erhöhen und den Luftraumverschluss bei der Endexspiration zu verringern
- normale physiologische PEEP beträgt 5 cmH2O
- Druckunterstützung
- Flow, der mit bestimmtem Druck geliefert wird, um den Widerstand der Atemwege und des Beatmungskreislaufs zu überwinden
- kann auch zur Unterstützung eines spontan atmenden Patienten verwendet werden (z.B. Bi-PAP)
- inspiratorischer Spitzendruck (PIP)
- Gesamtdruck, zur Abgabe dess VT erforderlich ist
- hängt von verschiedenen Faktoren wie Atemwegswiderstand, Lungencompliance und Brustwandstabilität ab
- Trigger (Sensitivität)
- Anstrengung oder der Unterdruck, die/der von Patient*innen benötigt wird, um maschinellen Atemzug auszulösen
- i.d.R. so eingestellt, dass minimale Anstrengung (-1 bis -2 cmH2O) erforderlich ist
Beatmungsmodi
Volumen-kontrollierte Modi
- Volume Assist/Control (V-AC), Assist Control (AC) oder Volume Control Ventilation (VCV)
- voreingestellte Anzahl von mandatorischen Atemzügen pro Minute
- Patient kann zusätzlich zu den mandatorischen Atemzügen eigene Atemzüge machen (jeder Atemzug erhält das volle voreingestellte Tidalvolumen)
- Atemwegsdrücke können während der Beatmung variieren
- volumensynchrone intermittierende mandatorische Beatmung (V-SIMV)
- Kombination aus mandatorischen Atemzügen und unterstützenden Atemzügen
- voreingestellte Anzahl von mandatorischen Atemzügen pro Minute
- alle Atemzüge, die über eingestellte Rate hinausgehen, werden mit festem Druckunterstützungswert unterstützt
Druck-kontrollierte Modi
- druckunterstützte Beatmung (PSV)
- jeder Atemzug des Patienten mit voreingestelltem Druck unterstützt
- keine mandatorischen Atemzüge, Patient muss also spontan atmen
- druckunterstützte Beatmung (P-AC) oder druckkontrollierte Beatmung (PCV)
- festgelegte Anzahl von druckkontrollierten Atemzügen mit festem Druck während festgelegter Inspirationszeit
- alle Atemzüge, die über eingestellte Rate hinausgehen, werden mit gleichem Druck kontrolliert
- abgegebenes VT richtet sich nach Höhe des angelegten Drucks, der Lungencompliance und dem Atemwegswiderstand des Patienten
- adaptive unterstützende Beatmung (ASV) (nur bei Hamilton T1 verfügbar)
- intelligenten Beatmungsmodus, der die AF, das VT und die Inspirationszeit in Abhängigkeit der Lungenmechanik und der Anstrengung des Patienten kontinuierlich anpasst
- vergleichbar mit „Auto-Flow“ oder ähnlichen
- kontinuierlicher positiver Atemwegsdruck (CPAP)
- druckregulierte Volumenkontrolle (PRVC)
Einstellungen des Beatmungsgerätes
- Tidalvolumen (VT )
- Gasvolumen, das während eines Atemzuges ausgetauscht wird
- im Allgemeinen zwischen 4 – 8 mL/kgKG eingestellt
- ideales Körpergewicht
- Gewicht, mit dem das Tidalvolumen berechnet wird, anstatt dem tatsächlichen Gewicht
- dadurch ist eine lungenschonendere Beatmung möglich
- Minutenvolumen
- durchschnittliche Gasvolumen, das pro Minute ausgetauscht wird
- normalerweise 5 – 10 L/min
- I:E-Verhältnis
- Asthmapatient benötigt z.B. eher ein I:E-Verhältnis von 1:3, 1:4 oder 1:5
- Flow (Flussrate)
- Geschwindigkeit, mit der den Patienten Gas zugeführt wird
- je höher der Flow, desto schneller die Gaszufuhr und desto kürzer die Inspirationszeit
- inspiratorischer Spitzendruck (PIP)
- Gesamtdruck, der zur Abgabe der VT erforderlich ist
- hängt von verschiedenen Faktoren wie Atemwegswiderstand, Lungencompliance und Brustwand ab
- Trigger
- Anstrengung bzw. Unterdruck, den der/die Patient*in benötigt, um maschinellen Atemzug auszulösen
- i.d.R. so eingestellt, dass minimale Anstrengung (-1 bis -2 cm H2O) einen Atemzug auslöst
Beatmung
initiale Beatmungsparameter
- Volumen-kontrollierter Modus
- AF von 14/min (Range: 10 – 30/min)
- VT von 6 mL/kg ideales KG (Range: 4 – 8 mL/kg ideales KG)
- FiO2 von 21 – 100 % (0,21 – 1,0)
- I:E-Verhältnis: 1:2
- PEEP: 5 cmH2O (Range: 5 – 20 cmH2O)
- Druckunterstützung: 5 cmH2O (Range: 5 – 20 cmH2O)
Troubleshooting (Fehlersuche)
- bei plötzliches Entsättigung oder Atemproblemen unklarer Genese sofortige Trennung vom Beatmungsgerät und manuelle Beatmung mit Beutel-Maske und 100 % O2
- D.O.P.E.-Algorithmus zur Fehlersuche & -behebung
- Displacement (Diskonnektion oder Extubation)
- Sicherstellen, dass der ETT sowie der Beatmungsschlauch nicht diskonnektiert, extubiert oder ähnliches sind
- Obstructions
- auf Sekrete achten; ggf. absaugen
- Pressure (Druck)
- hinsichtlich Spannungspneumothorax/Hämothorax prüfen
- ggf. Nadeldekompression
- ggf. Escharotomie bei zirkulärer Verbrennung
- ggf. Relaxation und Sedierung, wenn der/die Patient*in die Beatmung nicht toleriert
- Equipment (Material/Geräte)
- Geräteausfall prüfen
- Sauerstoffvorrat/-druck prüfen
- alle Schläuche & Leitung hinsichtlich Durchgängigkeit und Dichtigkeit prüfen
- Displacement (Diskonnektion oder Extubation)
- Alarme (Druck-/Spitzendruck-Alarme)
- Probleme, die einen erhöhten Atemwegswiderstand und eine verminderte Lungencompliance verursachen, einschließlich Pneumothorax oder Lungenödem, beheben
- alle Schläuche & Leitung hinsichtlich Knoten o.Ä. prüfen
- Prüfen, ob das richtige VT eingestellt ist
- Luftlecks, die Niederdruckalarme/Volumenverluste verursachen
- auf Luftlecks an ETT, Tracheostomiekanüle und dem Beatmungssystem prüfeb
- Prüfen, ob das richtige VT eingestellt ist
- Dissynchronität des Beatmungsgerätes
- Besteht eine klinische Entität, bei der die Gaszufuhr des Beatmungsgeräts und die Atmungsmechanik des Patienten nicht aufeinander abgestimmt sind?
- Bestehen Unruhe und Atemnot beim/bei der Patient*in?
- Hyperinflation der Lunge (Lufteinschluss; air trapping) und Auto-PEEP
- dynamische Hyperinflation ist mit einem positiven endexpiratorischen Alveolardruck oder Auto-PEEP verbunden
- physiologische Auswirkungen eines Lufteinschlusses sind verringerte kardiale Vorlast aufgrund eines verminderten venösen Rückflusses –> Hypotonie, pEA, Herzstillstand
- kann auch zu lokaler Überdehnung und Ruptur der Alveolen führen
- Tidalvolumen verringern, die Parameter der Inspirations- und Exspirationsphase ändern, in einen anderen Modus wechseln und physiologische Anomalien korrigieren, die den Atemwegswiderstand erhöhen, um einer Lungenhyperinflation vorzubeugen
- in Notfällen kann ein Auto-PEEP aufgrund von Lufteinschlüssen durch kurzes Trennen (3 – 5 sek) von Beatmungsschlauch und ETT behoben werden
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