veröffentlichende Fachgesellschaft: Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie
Klassifikation gemäß AWMF: S3
Datum der Veröffentlichung: 31.12.2022
Ablaufdatum: 30.12.2027
Quelle/Quelllink: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/187-023
Prähospitale Phase
Stop the Bleeding (STB)
- aktive Blutungen, soweit zugänglich, immer stoppen
- alle anderen Blutungen werden bei der Evaluation der Behandlungspriorität C (Circulation) im xABCDE-Schema adressiert
- externe Blutungen können durch unzureichende Exposition (Entfernen der Kleidung, Blick unter Decken etc.) verborgen bleiben
- Blutstillung nach Stufenschema
- manuelle Kompression
- keine repetitive Kontrollen, ob Blutung zum Stillstand gekommen ist
- Kompressionsverband (Druckpolster wie Verbandpäcken unter Zug angewickelt), wenn möglich in Kombination mit einem Hämostyptikum
- Tourniquet
- manuelle Kompression
- bei anderer Möglichkeit der Blutungskontrolle kann auch suffiziente manuelle Kompression zu Gunsten des anderen Verfahrens aufgegeben werden
- Becken während Prähospitalphase klinisch untersuchen
- klinische Untersuchung auf Spontanschmerzen, Druckschmerzen bei vorsichtiger Palpation
- auf sichtbare äußere Verletzungen als indirekte Hinweise auf eine Beckenringverletzung achten
- Anlage Beckengurt auf Höhe der Trochantären bei Anhalt für Beckenringverletzung oder instabile Beckenringverletzung und hämodynamische Instabilität
- keine Kontraindikationen für Verwendung des Beckengurtes in der Prähospitalphase; auf korrekte Indikationsstellung und Durchführung ist aber zu achten
- vor Anlage Reposition des Beckenrings mit leichter Einwärtsrotation der Beine
- Anlage Kompressionsverband bei penetrierendem und/oder akuten Trauma mit nach außen blutenden Verletzungen am Torso und an den Extremitäten
- Anlage Tourniquet, wenn lebensgefährliche Blutung mit anderen Maßnahmen nicht zeitgerecht gestoppt werden kann
- bei Anlage bei unzugänglichem Blutungsort, nach Rettung kritische Prüfung bzgl. Fortsetzung der Maßnahme und möglichem Verfahrenswechsel
- engmaschige Kontrolle der Suffizienz des Tourniquets
- Ziel ist immer die Konversion zu anderer Methode der Blutstillung
- Hämostyptika
- Anlage direkte Wundtamponade mit Chitosan bei blutenden Stichwunden mit entferntem Fremdkörper und Länge > 3 cm
- Einsatz von Verbänder mit Chitosan bei aktiver Blutung nach Schuss- und Explosionsverletzung
- Hämostyptika können bei jeder Stufe des Stufenschemas ergänzend eingesetzt werden
- Empfehlungen für Extremitätenverletzung gelten auch bei stammnahen Blutungsquellen
- Reposition und Ruhigstellung von Frakturen im Allgemeinen für sinnvoll erachtet
- Anlage Chitosan-Wundauflagen bei Kopfschwartenverletzungen mit aktiver Blutung
- Anlage posteriore Tamponade oder alternativ pneumatische Tamponade bei Blutungen im oberen Mittelgesichts- bzw. Nasenbereich (Epistaxis)
- sofortige Entfernung der pneumatischen Tamponade bei Verstärkung der Blutung und manuelle Kompression des Oberkiefers gegen das Mittelgesicht oder Anlage einer Bellocq-Tamponade
Atemwegsmanagement, Beatmung und Notfallnarkose
- prähospitale Notfallnarkose sowie endotracheale Intubation und Beatmung bei polytraumatisierten Patienten mit Apnoe oder Schnappatmung (AF < 6/min) sowie bei
- Hypoxie (SpO2 <90%) trotz Sauerstoffgabe und nach Ausschluss eines Spannungspneumothorax
- schweres SHT (GCS <9)
- schweres Thoraxtrauma mit respiratorischer Insuffizienz (AF > 29/min)
- engmaschige Kontrolle hämodynamischer Veränderungen bei Narkoseeinleitung sowie ggf. frühe Therapie selbiger (z.B. 1-minütiges Messintervall)
- bei Planung des Atemwegsmanagements Atemwegsanatomie (v.a. SCHWIERIGER ATEMWEG), physiologische Parameter wie Hypotonie und Wahl der Narkosemedikamente mit einbeziehen (zusätzliche Risikofaktoren: hohes Alter, niedriger Ausgangsblutdruck (RRsys <90 mmHg), bestehende Hypoxie mit erhöhter Wahrscheinlichkeit für schwere Hypotension bis Herzkreislaufstillstand)
- vor Narkoseeinleitung ca. 4 min präoxygenieren (Flow von 12 – 15 L/min); ggf. mit Demandventil
- Alternativen zur Atemwegssicherung bei Narkoseeinleitung und ETI vorhalten (z.B. Larynxmasken, Larynxtuben)
- nach zwei frustranen Intubationsversuchen Alternativen für Beatmung bzw. Atemwegssicherung in Betracht ziehen
- Koniotomie ist „Cannot ventilate-cannot oxygenate“-Situation vorbehalten, wenn alle anderen alternativen Methoden versagt haben
- Monitoring mittels EKG, Blutdruckmessung, Pulsoxymetrie und Kapnografie bei Narkoseeinleitung, Atemwegssicherung, Beatmung und Führung der Notfallnarkose
- Kapnometrie/-grafie zur Tubuslagekontrolle und danach zur Dislokations- und Beatmungskontrolle einsetzen
- bei Unsicherheit bzgl. korrekter Tubuslage mittels Kapnografie unverzügliche Kontrolle mittels Videolaryngoskopie
- Normoventilation, Normoxie, Normokapnie, Normotonie und SpO2 > 90 % bei endotracheal intubierten und narkotisierten Traumapatient*innen
- Notfallnarkose aufgrund immanentem Aspirationsrisikos als Rapid Sequence Induction durchführen mit Verwendung eines Hypnotikums und einer Relaxans
- Ketamin als Einleitungshypnotikum gute Alternative zu Etomidaten, die vermieden werden sollen
- keine klare Empfehlung zur genauen Wahl der Medikamente für die RSI
- bei endotrachealer Intubation kurzzeitige manuelle In-line-Stabilisation nach temporärer Aufhebung der Immobilisation mittels HWS-Immobilisationsschiene
- Einsatz der Videolaryngoskopie zur besseren Einstellbarkeit der Stimmbandebene und Optimierung des primären Intubationserfolges sowie Verwendung eines Führungsstab oder „Bougie“
- Koniotomie in chirurgischer Technik (bei besonderem Übungsstand ggf. anderen Koniotomie-Technik
Gerinnungsmanagement und Volumentherapie
- Anlage venöser Zugang bei jedem/jeder Traumapatient*in
- alternativ intraossärer Zugang, wenn venöser Zugang frustran
- Volumentherapie mit balancierten, isotonen kristallinen Vollelektrolytlösungen (am besten vorgewärmt)
- balancierte Infusionslösungen mit Acetat oder Malat statt Lactat ggf. erwägen
- keine Empfehlung für HES oder andere zugelassene hypertone Infusionslösungen (Off-Label)
- Durchführung Volumentherapie in reduzierter Form bei nicht beherrschbarer Blutung (MAP ~65 mmHg, RRsys ~80 mmHg)
- bei vermuteten isolierten oder führenden Schädel-Hirn-Trauma Volumentherapie mit Normotension (RRsys >=90 mmHg) als Ziel
- kein Hinweis auf Volumenmangel = Verzicht Volumentherapie
- Vasopressoren titriert bei Nichterreichen eines adäquaten Blutdrucks trotz ausreichender Volumentherapie
- letalen Trias aus Hypothermie, Azidose und Koagulopathie behandeln
- Vermeidung weiterer Auskühlung
- Behandlung hämorrhagischer Schock (Blutungskontrolle, Volumen- & Gerinnungstherapie)
- adäquate Oxygenierung und Ventilation
- 1 g Tranexamsäure als Bolus über 10 min bei manifestem oder drohendem hämorrhagischen Schock
- Fibrinogen-Gabe nach TXA-Gabe bei nicht beherrschbarer Blutung erwägen
- Gabe von Erythrozyten- und Plasmakonzentraten (GFP o. lyophilisierte Plasmakonzentrate) bei nicht beherrschbarer Blutung erwägen, sofern der Transport in Zielklinik nicht verzögert wird
Analgesie
- intravenöse Analgesie bei schwerverletzte Patient*innen
- alternativ ggf. i.o.- oder i.n.-Applikation über MAD
- ansprechbare Patient*innen bzgl. Wunsch nach Schmerzmittel befragen
- NRS nicht bei allen Patienten anwendbar, alternativ nach starken oder unerträglichen Schmerzen fragen
- ergänzend Vitalwerte als Hinweis für bestehende Schmerzen nutzen
- Verwendung von Fentanyl, Ketamin (alternativ auch S-Ketamin) oder Morphin bei spontanatmenden schwerverletzten Patienten
- zusätzlich physikalische Maßnahmen wie Lagerung, Schienung etc.
- Analgesie nur bei kontinuierlicher Überwachung (z.B. EKG, RR, AF, HF, SpO2, ggf. etCO2) und Bereithaltung von Notfallequipment zur Komplikationsbehandlung
Thorax
- klinische Untersuchung von Thorax und Atemfunktion
- min. Bestimmung AF und Auskultation
- Inspektion, Palpation, Perkussion sowie SpO2, etCO2 und Überwachung des Beatmungsdrucks ggf. hilfreich
- ggf. Thorax-Ultraschalluntersuchung zum Nachweis/Ausschluss Pneumothorax oder Perikarderguss
- V.a. Pneumo- und/oder Hämatothorax besteht bei einseitig abgeschwächtem oder fehlendem Atemgeräusch (nach Lagekontrolle des Tubus) oder sonografischen Nachweis
- mögliche Progredienz eines kleinen, zunächst nicht diagnostizierbaren Pneumothorax in Betracht ziehen
- Auskultationsbefund „Pneumothorax“ bei Patient*innen mit Überdruckbeatmung dekomprimieren
- Auskultationsbefund „Pneumothorax“ bei nicht beatmeten Patienten Patient*innen i.d.R. unter engmaschiger klinischer Kontrolle beobachten
- Pneumothorax, sofern die Indikation besteht, durch Thoraxdrainage behandeln
- V.a. Spannungspneumothorax bei einseitig fehlendem Atemgeräusch bei Auskultation (nach Lagekontrolle des Tubus) und Vorliegen typischer Symptome, v.a. schwere respiratorische oder zirkulatorische Störung
- typischste und häufigste Anzeichen bei wachen spontan atmenden Patient*innen: Atemnot & Tachykardie
- Thoraxschmerzen, Tachypnoe und abgeschwächtes Atemgeräusch (ca. 45 %)
- Dyspnoe/Atemnot, Hypoxie mit O2-Bedarf, Tachykardie und hypersonorer Klopfschall (ca. 30 – 45 %)
- Deviation der Trachea zur Gegenseite (15 – 30 %)
- gestaute Halsvenen, Hautemphysem, Herzstillstand (jeweils < 15%)
- Hypotension mit eher langsamer Progredienz
- Manifestation der kardiozirkulatorischen und respiratorischen Symptome bei beatmeten Patient*innen wesentlich früher und meist zeitgleich
- abgeschwächtes Atemgeräusch und Hypotension, oft mit akutem Beginn (jeweils > 45 %)
- Tachykardie, Hautemphysem und Herzstillstand (30 – 45 %)
- stark erhöhte oder steigende Atemwegsdrücke (ca. 20 %)
- umgehend Dekomprimierung bei klinisch vermutetem Spannungspneumothorax
- Entlastung durch einmalige Nadeldekompression (Nadellänge min. 50 mm; keine eindeutige Empfehlung für einen Punktionsort, also MCL oder VAL) oder sofortige Minithorakotomie
- nach Nadeldekompression zusätzlich chirurgische Eröffnung des Pleuraspaltes mit oder ohne Thoraxdrainage (Einlage Thoraxdrainage ohne Trokar; keine Empfehlung für zu präferierenden Durchmesser oder Punktionsort, also 2. -3. ICR MCL oder 4. – 5. ICR MAL)
- kein zweiter Versuch nach erstem frustranen Nadeldekompression-Versuch, sondern unverzüglich chirurgische Eröffnung des Pleuraspaltes
- typischste und häufigste Anzeichen bei wachen spontan atmenden Patient*innen: Atemnot & Tachykardie
- Ventilverband bei offenem Pneumothorax
- Hochrasanztraumen und Verkehrsunfälle mit Lateralaufprall als Hinweise auf Thoraxtrauma/Aortenruptur deuten
- kontinuierliches Monitoring mittels Dreikanal-EKG zur berwachung einer etwaigen myokardialen Schädigung
- Zwölfkanal-EKG bei V. a. stumpfe Myokardverletzung (v.a. in Verbindung mit einer hs-Troponin-Bestimmung)
- bei nachgewiesener Herzbeuteltamponade und sich akut verschlechternden Vitalparametern Durchführung Perikardentlastung
- eFAST-Untersuchung zum Ausschluss Perikardtamponade bei hämodynamisch instabilen Patient*innen mit Thoraxtrauma
- zusätzlich ggf. sonografische Suche nach Parenchymverletzungen ergänzend zur FAST
Schädel-Hirn-Trauma
- arterielle Normotension (RRsys >= 90 mmHg) anstreben
- SpO2 < 90 % vermeiden
- Erfassung & Erfassung von Bewusstseinslage, Pupillenfunktion und GCS
- z.B. auf spontane Strecksynergismen als Hinweis für ein beginnendes Mittelhirnsyndrom und auf Begleitverletzungen des Rückenmarks achten (Untersuchung motorische Funktion der Extremitäten mit seitengetrennter Unterscheidung an Arm und Bein)
- falls nicht bewusstlos, zusätzlich Orientierung, Hirnnervenfunktion, Koordination und Sprachfunktion erfassen
- keine Gabe von Glukokortikoiden
- bei V.a. stark erhöhten ICP, v.a. bei transtentoriellen Herniationszeichen (Pupillenerweiterung, Strecksynergismen, Streckreaktion auf Schmerzreiz, progrediente Bewusstseinstrübung) Therapie mit Hyperventilation, hypertones NaCl und/oder Mannitol erwägen
- Hyperventilation mit AF von 20/min; bei Kindern altersentsprechend anpassen (CAVE: Vasokonstriktion & Reduktion der zerebralen Perfusion)
- Transport in Klinik mit adäquater Versorgungsmöglichkeit bei Symptomen eines SHT
- bei anhaltender Bewusstlosigkeit (GCS ≤ 8), zunehmender Eintrübung, Pupillenstörung, Lähmung oder Anfällen Transport in Klinik mit Neurochirurgie
- keine eindeutige Empfehlung bzgl. Analgosedierung und Relaxierung für Transport
- perforierende Gegenstand in Wunde belassen (evtl., falls nötig, abtrennen)
- herausgeschlagene Zähne und Zahnfragmente feucht lagern (zellfreundliche Lösung, Ringerlösung oder H-Milch) und ins Traumazentrum mitbringen
Wirbelsäule
- gezielte körperliche Untersuchung, inklusive Wirbelsäule und mit ihr verbundenen Funktionen
- orientierende neurologische Untersuchung bzgl. Sensibilität und Motorik
- Inspektion (Verletzungszeichen/Deformitäten) und das Abtasten (Druck-/Klopfschmerz oder Stufen/tastbare Lücken zwischen den Dornfortsätzen) der Wirbelsäule
- bei Bewusstlosigkeit bis zum Beweis des Gegenteils vom Vorliegen einer Wirbelsäulenverletzung ausgehen
- NEXUS-Kriterien oder Canadian C-Spine Rule zur Diagnostik einer Wirbelsäulenverletzung anwenden
- HWS vor der eigentlichen technischen Rettung (schnelle & schonende Rettung) immobilisieren
- Notwendigkeit der Sofortrettung ohne Immobilisation der Wirbelsäule stellt Ausnahme dar
- Immobilisierung der HWS manuell oder mit Zervikalstütze in Neutralposition (nur mit Unterfütterung des Kopfes erreichbar) als erste Maßnahme; Rückführung in vorherige Position bei Schmerzen oder Zunahme neurologisches Defizit
- Ruhigstellung der HWS zusätzlich durch Lagerung auf Vakuummatratze erhöhen
- Lagerung auf Vakuummatratze stellt effektivste Immobilisation der gesamten Wirbelsäule dar
- Anlage starre Zervikalstütze bei SHT und V.a. HWS-Verletzung abwägen (CAVE: ICP-Erhöhung)
- alternativ Lagerung in Vakuummatratze mit Oberkörperhochlagerung und zusätzlicher Fixierung des Kopfes ohne Anlage einer Zervikalstütze
- Transport möglichst schonend und unter Schmerzfreiheit
- primärer Transport in geeignetes Traumazentrum bei Patient*innen mit neurologischen Ausfällen und vermuteter Wirbelsäulenverletzung
Extremitäten
- priorisiert stark blutende Verletzungen der Extremitäten, welche die Vitalfunktion beeinträchtigen, behandeln
- weitere Schäden vermeiden und Gesamtrettungszeit beim Vorliegen weiterer bedrohlicher Verletzungen nicht verzögern
- alle Extremitäten orientierend untersuchen
- Inspektion (Fehlstellung/Wunden/ Schwellung/ Durchblutung)
- Stabilitätsprüfung (Krepitation, abnorme Beweglichkeit, sichere und unsichere Frakturzeichen)
- Beurteilung der Durchblutung, Motorik und Sensibilität
- Evaluation der Weichteilbefunde (geschlossene vs. offene Fraktur, Hinweise auf Kompartmentsyndrom)
- Lederbekleidung, wie Motorradbekleidung, soweit möglich, belassen (Schienung mit Kompressionseffekt)
- auch nur vermutlich verletzte Extremität vor grober Bewegung/dem Transport des Patienten ruhigstellen
- Immobilisation sollte Gelenke proximal und distal der Verletzung mit einbeziehen
- Ruhigstellung unter Traktion, v.a. bei verkürzten Femurfrakturen (ggf. speziellen Traktionssplinten)
- Ruhigstellung in abnormaler Position mittels Vakuumschiene; Verletzungen der oberen Extremität mittels Luftkammerschiene schienen (nach Schienung regelmäßige Überprüfung der Durchblutung und hinsichtlich Kompartmentsyndroms)
- ggf. Fotodokumentation von Wunden/offenen Frakturen
- grob dislozierte Frakturen und Luxationen, v.a. bei begleitender Ischämie der betroffenen Extremität/langer Rettungszeit, annähernd reponieren
- offene Frakturen von groben Verschmutzungen reinigen und steril verbinden
- Amputate grob reinigen, in sterile, feuchte Kompressen wickeln und indirekt gekühlt transportieren („Doppelbeutelmethode“)
Transport und Zielklinik
- Luftrettung primär zur prähospitalen Versorgung Schwerverletzter einsetzen (einsatztaktische Gesichtspunkte und Faktor Zeit berücksichtigen)
- primärer Transport in ein geeignetes Traumazentrum
- schnellstmöglicher Transport in das nächstgelegene Traumazentrum bei penetrierendem Trauma des Thorax und/oder Abdomens
- geeignete und standardisierte Kommunikationsmethoden zur Verminderung von Schnittstellenproblemen bei Anmeldung und Übergabe/Übernahme verwenden
Massenanfall von Verletzten (MANV)
- Übung und/oder (virtuelle) Trainings, gut implementierte Krankenhausalarm- und Einsatzpläne sowie Vorbereitungen auf (Terror)MANV-Lagen machen die Meisterin oder den Meister
Schockraum
Der Schockraum – strukturelle und apparative Voraussetzungen
- Größe: min. 25 – 50 m² (pro zu behandelnden Patienten)
- Schockraum, Krankenanfahrt, radiologische Abteilung & OP-Abteilung sollten sich im gleichen Gebäude befinden
- CT sollte im oder nahe am Schockraum sein
Schockraum – Team und Alarmierung
- feste Teams sollten nach vorstrukturierten Plänen arbeiten und/oder spezielles Training absolviert haben
- Schockraum-Team: min. 2 Pflegekräfte + min. 2 Ärzte mit notfallmedizinische und notfallchirurgische Kompetenz
- Erweiterung des Schockraum-Teams, entsprechend der Versorgungsstufe des Krankenhauses
- Schockraum-Aktivierung
- A/B – Problem
- Atemstörungen (SpO2 <90 %)/erforderliche Atemwegssicherung
- AF <10 oder > 29/min
- C – Problem
- systolischer Blutdruck < 90 mmHg
- Herzfrequenz > 120/min
- Schockindex > 0,9
- positiver eFAST
- D – Problem
- GCS ≤ 12
- E – Problem
- Hypothermie < 35,0 °C
- Verletzungsmuster
- instabiler Thorax
- mechanisch instabile Beckenverletzung
- Vorliegen von penetrierenden Verletzungen der Rumpf-Hals-Region
- Amputationsverletzung proximal der Hände/Füße
- sensomotorisches Defizit nach Wirbelsäulenverletzung
- prähospitale Intervention (erforderliche Atemwegssicherung, Thoraxentlastung, Katecholamingabe, Pericardiozentese, Anlage Tourniquet)
- Frakturen von 2 oder mehr proximalen großen Röhrenknochen
- Verbrennungen > 20 % und Grad ≥ 2b
- (Ab)Sturz aus über 3 Metern Höhe
- Verkehrsunfall (VU) mit Ejektion aus dem Fahrzeug oder Fraktur langer Röhrenknochen
- A/B – Problem
- großzügige Schockraumalarmierung bei geriatrischen Patienten
- RRsys <100mmHg
- bekanntes oder vermutetes Schädel-Hirn-Trauma und GCS ≤14
- 2 oder mehr verletzte Körperregionen
- Fraktur eines oder mehrerer langer Röhrenknochen nach Verkehrsunfall
Reanimation präklinisch und im Schockraum
- adaptiertes und zum Teil von den regulären Reanimationsmaßnahmen kardioembolischen Ereignissen abweichendes Vorgehen
- bei Bewusstlosigkeit und keiner/nicht-normaler Atmung (Schnappatmung) unverzüglich mit einer kardiopulmonalen Reanimation beginnen
- gleichzeitig Carotis-Puls tasten
- beachten, dass ein traumatologisch bedingter eine andere Pathophysiologie als der nicht-traumatisch bedingte Herzkreislaufstillstand hat und sich das Vorgehen daher grundlegend unterscheidet
- Konzentration auf sofortige, gleichzeitige Behandlung reversibler Ursachen; Thoraxkompression hat Vorrang
- zeitgleich leitliniengerechte Diagnostik, Ausschluss und Therapie der traumaspezifischen reversiblen Ursachen (nach xABCDE-Schema; z.B. externe Blutung, Atemwegsobstruktion, ösophageale Fehlintubation, Spannungspneumothorax, Perikardtamponade und Hypovolämie)
- sequentielles Vorgehen
- Blutstillung (bei massiven externen Blutungen)
- Atemwegssicherung
- bilaterale Pleuraraumdekompression mittels chirurgischer Minithorakotomie
- nicht-invasive externe Beckenstabilisierung
- Blutprodukte
- sowie in bestimmten Konstellationen Notfallthorakotomie zur Beseitigung einer Perikardtamponade und proximalem Aortenclamping oder REBOA
- alle möglichen Maßnahmen zur Blutungskontrolle (z.B. äußerer Druck, Hämostyptika und Tourniquets, Beckenschlinge) durchführen
- beidseitige Entlastung mittels Minithorakotomie bei vermutetem Spannungspneumothorax bei Patienten mit traumatisch bedingtem Herzkreislaufstillstand
- REBOA zur temporären proximalen Blutungskontrolle im Rahmen einer traumatisch bedingten Reanimation erwägen
- extrakorporale Zirkulation und Oxygenierung (ECLS) im Einzelfall bei polytraumatisierten Patienten mit therapierefraktärem Kreislaufstillstand erwägen
- Abbruch der Reanimationsmaßnahmen erst nach Ausschluss/Behandlung aller potentiell reversiblen Ursachen sowie nach Beseitigung möglicher traumaspezifischer, reversibler Ursachen
- bei Vorliegen sicherer Todeszeichen oder mit dem Leben nicht zu vereinbarende Verletzungen nicht beginnen
- im Schockraum
- Anlage intraarterieller Katheter zur invasiven kontinuierlichen Blutdruckmessung ohne Behebung reversibler Ursachen und Basismaßnahmen der Reanimation zu verzögern
Exkurs „“Notfallthorakotomie“
- Voraussetzungen gemäß 4-E-Regel gemäß ERC-Leitlinien: Expertise (Erfahrung), Equipment (Ausrüstung), Environment (Umgebung), Elapsed time (Zeitverzögerung)
- Notfallthorakotomie bei beobachtetem traumatischen bedingten Herzkreislaufstillstand bei nachfolgenden Indikationen
- stabiler Herzrhythmus bei Eintreffen des Rettungsteams und/oder Herzkreislaufstillstand < 15 Minuten
- vermutete Perikardtamponade
- Durchführung Notfallthorakotomie bei penetrierenden thorakalen oder thorakoabdominalen Verletzungen, insbesondere nach kurz zurückliegendem Beginn des Herzkreislaufstillstandes, und initial bestehenden Lebenszeichen
- Thorakotomie bei initial hohem oder persistierendem relevantem Blutverlust über die liegende Thoraxdrainage bei stabilen als auch instabilen Patient*innen
- keine Notfallthorakotomie im Schockraum bei Patienten mit stumpfem Trauma und fehlenden Lebenszeichen am Unfallort
- innerklinische Notfallthorakotomie bei nachfolgenden Indikationen
- prähospitale Reanimation <10 Minuten
- Herzkreislaufstillstand im Schockraum
- persistierende Hypotension (RRsys < 70mmHg) trotz Volumen und Katecholamintherapie bei ausgeprägter intrathorakaler Blutung (> 1500 mL Blut via Thoraxdrainge)
- Perikardtamponade
- Luftembolie
- trachebronchialer Abriss
- beobachteter Herzkreislaufstillstand nach penetrierenden Trauma mit prähospitalen Reanimation < 15 min
- temporäre Aortenausklemmung bei unkontrollierbarer abdomineller oder pelviner Blutung
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