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Leitlinie „Prehospital management of chest injuries in severely injured patients“

veröffentlichende Fachgesellschaft:
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 03.02.2024
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://doi.org/10.1007/s00068-024-02457-3

Grundsätzliches

  • Thorax ist bei polytraumatisierten Patient*innen am häufigsten betroffen
  • bei 46,1 % liegt eine Verletzung mit einem AIS-Score von min. 3 Punkten vor

Diagnostik

  • Durchführung einer klinischen Untersuchung des Brustkorbs und der Atemfunktion
  • wiederholende Untersuchungen sollten min. AF-Messung und Auskultation der Lunge umfassen
  • Thoraxinspektion, -palpation & -perkussion sowie Pulsoximetrie, Überwachung des Beatmungsdrucks und Kapnographie bei Beatmung sind weitere nützliche Parameter (v.a. bei Schmerzsymptomatik bei Thoraxpalpation & -perkussion)
  • Thorax-Sonografie erwägen, um Pneumothorax oder Herzbeuteltamponade festzustellen oder auszuschließen
  • Diagnosestellung „Pneumothorax“ und/oder „Hämothorax“ bei verminderten oder fehlenden einseitigen Atemgeräuschen (nach Bestätigung der korrekten Tubuslage) oder bei Vorliegen sonografischer Zeichen
  • Berücksichtigung einer möglichen Progression eines kleinen Pneumothorax, der in der Präklinik ggf. nicht sofort erkannt wurde
  • V.a. „Spannungspneumothorax“ bei einseitig fehlenden Atemgeräuschen bei der Auskultation (nach Bestätigung der korrekten Tubuslage) und bei zusätzlichem Vorhandensein typischer Symptome, v.a. schwerer Atem- &Kreislaufbeeinträchtigung

weitere Infos zur Diagnostik

  • Ultraschall-Sensitivität bei Trauma bei 91 % und damit fast doppelt so hoch wie bei Thorax-Röntgen (Ultraschall-Spezifität: 98 – 99 %
  • Wahrscheinlichkeit für Pneumothorax bei einseitig verminderten Atemgeräuschen in Verbindung mit Kurzatmigkeit und/oder Brustschmerzen: 90 – 99 % (wenn keiner der Faktoren vorliegt: < 1 %)
  • CAVE: bei Interpretation der Auskultationsbefunde auf möglichst korrekte Positionierung des Endotrachealtubus (falls vorhanden) achten
  • CAVE: Vorliegen eines beidseitigen Pneumothorax bei Patienten mit schwerem beidseitigem Thoraxtrauma in Betracht ziehen, kann mit atypischen Untersuchungsergebnissen einhergehen
  • Symptome Spannungspneumothorax bei spontan atmenden Patient*innen
    • Atemnot, Tachykardie (vorherrschende Symptome
    • Brustschmerzen, Tachypnoe und verminderte Atemgeräusche (bei > 45 % der Betroffenen)
    • O2-Bedarf und Perkussionshyperresonanz (bei 30 – 45 % der Betroffenen)
    • kontralaterale Trachealdeviation (bei 15 – 30 % der Betroffenen)
    • Hypotonie, meist erst relativ spät), sowie Jugularvenendistention, subkutanes Emphysem und Herzstillstand (jeweils bei <15 % der Betroffenen)
  • Symptome Spannungspneumothorax bei beatmeten Patient*innen
    • verminderte Atemgeräusche, Hypotonie, oft plötzlich einsetzend, sowie Hypoxie (bei > 45 % der Betroffenen)
    • Tachykardie, subkutanes Emphysem und Herzstillstand (bei 30 – 45 % der Betroffenen)
    • erhöhter oder steigender Atemwegsdruck (bei ca. 20 % der Betroffenen; auch bei Hämatothorax)

Therapie

  • Indikationen für Dekomprimierung
    • sofortige Dekomprimierung eines klinisch vermuteten Spannungspneumothorax
    • Dekomprimierung bei durch Auskultation diagnostiziertem Pneumothorax bei Überdruckbeatmung
    • bei Spannungspneumothorax Nadeldekompression (nur ein Versuch!!!) oder sofortige Mini-Thorakotomie (auf Nadeldekompression sollte Thorakotomie mit/ohne Thoraxdrainage folgen)
  • durch Auskultation diagnostizierter Pneumothorax bei nicht mechanisch beatmeten Patient*innen beobachten und engmaschig überwachen (keine Dekomprimierung)
  • chirurgischer Zugang zum Pleuraraum durch Mini-Thorakotomie mit Thoraxdrainage-Einlage ohne Trokar
  • bei offenem Pneumothorax Anlage eines geeigneten belüfteten Verband mit Ventilmechanismus o.Ä. (CAVE: Verbände aus Kunststoff(verpackungs)folie scheinen generell ungeeignet)

weitere Infos zur Therapie

  • Spannungspneumothorax = akut lebensbedrohlicher Zustand, der unbehandelt meist innerhalb weniger Minuten zum Tod führt
  • großer Pneumothorax ist Indikation zur Evakuierung des Pleuraraum von Luft-, Blut- und Lymphansammlunge (Zeitpunkt der Evakuierung abhängig von Risiko der Progression hin zum Spannungspneumothorax und Zeitraum, in dem eine Progression stattfinden kann)
  • präklinischer Hämatothorax stellt keine allgemeine Indikation für Thoraxdrainage dar, auch wenn großer Hämatothorax (ca. > 300 mL) i.d.R. Indikation darstellt, da raumfordernde Wirkung keine unmittelbare Gefahr darstellt, außer bei Vorliegen eines Spannungshämothorax (Spannungshämothorax häufig mit ähnlichen Symptomen wie Spannungspneumothorax, z.B. fehlende Atemgeräusche auf einer Seite und schwere Atem- & Kreislaufbeeinträchtigung)
  • keine Aussage zur Überlegenheit von Nadeldekompression, einfacher Thorakostomie (ohne Thoraxdrainage) oder Anlage einer Thoraxdrainage als Therapie des Spannungspneumothorax
  • Dekompressionsrate der Thoraxdrainage bei Spannungspneumothorax (> 85 %, präklinisch 79 – 95 %)
  • Komplikationen bei Thoraxdrainage (Präklinik ggü. Klinik)
    • subkutane Platzierung (2,53 % ggü. 0,39 %)
    • intraparenchymale Platzierung (1,37 % ggü. 0,63 %)
    • intraabdominale Platzierung (0,87 % ggü. 0,73 %)
  • Ausrichtung der Spitze der Thoraxdrainage beim Einführen (gibt jedoch Arbeiten, die keinen Unterschied bei Ausrichtung festgestellt haben)
    • posteriore & inferiore Platzierung bei Hämothorax
    • anteriore & superiore Platzierung bei Pneumothorax
  • Einführung kleiner Thoraxdrainagen (≤ 14 Fr) i.d.R. mit Seldinger-Technik und großvolumige Thoraxdrainagen mit Mini-Thorakotomie
  • keine Empfehlung für zu priorisierenden Platzierungsort der Thoraxdrainage
    • 2. oder 3. ICR mittlere Medioclavicularlinie (Monaldi)
    • 4. oder 5. ICR mittlere Axillarlinie (Bülau)
  • Erfolgsquote bzgl. Entlüftung durch Nadeldekompression: ca. 32 – 53 % (in der Präklinik ca. 32 – 47 % und in 12 – 60 % klinische Verbesserung ohne Entlüftung)
  • Unterschied Gesamtzeit am Unfallort Nadeldekompression ggü. Thoraxdrainage: ca. 5 min ggü. 25,7 min
  • bei frustraner Nadeldekompression kein zweiter Versuch, sondern sofortige Durchführung einer Thorakostomie
  • definitive Behandlung mit Mini-Thorakotomie und Einlage einer Thoraxdrainage so bald wie möglich nach erfolgreicher Nadeldekompression
  • Größe der Kanüle für Nadeldekompression: 14 G oder 12 G
  • keine Empfehlung für zu priorisierenden Platzierungsort der Nadeldekompression
    • 2. oder 3. ICR mittlere Klavicularlinie
    • 4. oder 5. ICR vordere Axillarlinie (Stelle mit kürzestem Abstand zum Pleuraraum)
    • 4. oder 5. ICR mittlere Axillarlinie
  • Fehlerraten Nadeldekompression
    • Verwendung 3,2-cm-Kanüle: 65 %
    • Verwendung 5-cm-Kanüle in AAL- (13 %), MAL- (31 %) und MCL-Position (38 %)
    • Verwendung 5-cm-Kanüle bei BMI > 30 (Adipositas): 89 %
Published inLeitlinien kompakt

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