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Leitlinie „Altitude Emergencies in the Prehospital Environment“ des JTS

veröffentlichende Fachgesellschaft: Joint Trauma System – Department of Defense Center of Excellence for Trauma
Klassifikation gemäß AWMF:
Datum der Veröffentlichung: 05.03.2024
Ablaufdatum:
Quelle/Quelllink: https://jts.health.mil/index.cfm/PI_CPGs/cpgs

Grundsätzliches

  • Höhenkrankheit (High Altitude Illness; HAI) umfasst die akute Höhenkrankheit (Acute Mountain Sickness; AMS), das Höhenhirnödem (High Altitude Cerebral Edema; HACE) und das Höhenlungenödem (High-Altitude Pulmonary Edema; HAPE)
  • HAI-Risikofaktoren: schneller Aufstieg, hohe Schlafhöhe, Vorgeschichte bzgl. HAI, Adipositas, kurze Akklimatisierung, Überanstrengung und Kälteexposition
  • Definitionen
    • mittlere Höhe: 1500 – 2500 m; verminderte Leistungsfähigkeit, keine Beeinträchtigung des Sauerstofftransports; kein bis geringes Risiko für schwere HAI; SpO2 sollte > 90 % bleiben
    • große Höhe: 2500 – 4500 m; verminderte SpO2 (SpO2 kann unter 80 % fallen, Hypoxämie während Schlafs/körperlicher Betätigung; mäßiges Risiko für schwere HAI (inkl. HACE & HAPE)
    • sehr große Höhe: 4500 – 5500 m; Akklimatisierungsphase notwendig; hohes Risiko für schwere HAI (AMS-Prävalenz bis zu 70 %); SpO2 kann zwischen 65 – 81 % liegen
    • extreme Höhe: > 5500 m; schwere Hypoxämie/Hypokapnie mgl.; längere Aufenthalte nicht mgl.; SpO2-Wert bspw. auf Mount Everest bei 54 – 62 %
Quelle: https://www.hprc-online.org/sites/default/files/inline-images/Effect_of_Altitude_on_your_Body_050922.jpg

akute Höhenkrankheit (AMS)

  • Diagnosekriterien für akute Höhenkrankheit in Höhenlagen (≥ 2500 m): Kopfschmerzen und min. einer der folgenden Punkte:
    • Schwäche/Schwindelgefühle/Abgeschlagenheit
    • Übelkeit/Erbrechen
    • Anorexie
    • Müdigkeit
  • tritt i.d.R. innerhalb von 1 – 6 h nach Höhenexposition auf (ggf. auch Verzögerung von bis zu 48 h mgl.)
  • körperliche Untersuchungsergebnisse sind nicht selten eher unspezifisch
  • tritt im Allgemeinen nicht bei Höhen < 2000 m auf
  • vor Diagnosestellung Ausschluss von Differenzialdiagnosen wie Dehydrierung, SHT, Koffeinentzug, Migräne, Alkoholkater (Veisalgie), Kohlenmonoxidvergiftung, virales Syndrom, emotionaler Stress, Hyper- & Hypothermie
  • Therapie
    • Abstieg (Mittel der 1. Wahl): Symptomabklingen i.d.R. nach Abstieg von 300 – 1.000 m
    • O2-Gabe: SpO2 titrieren auf > 90 %
    • tragbare Überdruckkammern (sofern verfügbar & keine Transportverzögerung)
    • Gabe von Acetazolamid: 250 mg oral alle 12 h (Kinder: 2,5 mg/kg oral alle 12 h; max. 250 mg/Gabe)
    • Gabe von Dexamethason bei schwerer AMS & Risiko für HACE, wenn Abstieg nicht mgl.: 4 mg alle 6 h bis zum Abklingen der Symptome
    • Gabe von Ibuprofen/Paracetamol bei Kopfschmerzen: übliche Dosierungen gemäß gültiger LL

Höhenhirnödem (HACE)

  • HACE entwickelt sich i.d.R. aus der AMS
  • Diagnosekriterien für Höhenhirnödem (HACE)
    • Ataxie ODER verändertes Bewusstsein bei Vorliegen einer akuten Höhenkrankheit
    • Ataxie UND verändertes Bewusstsein ohne Vorliegen einer akuten Höhenkrankheit
  • weitere Symptome (Symptome sind sekundär zur Enzephalopathie)
    • Kopfschmerzen
    • Verhaltensauffälligkeiten
    • Persönlichkeitsveränderungen
    • Apathie
    • Schläfrigkeit
    • Verwirrung
    • sozialen Rückzug
    • Stupor
    • ggf. erhöhter Hirndruck mit Hirndruckzeichen
    • andere fokale neurologische Defizite sind selten und eher Hinweis auf andere Pathologie
  • Differenzialdiagnosen
    • Hypoglykämie
    • Hyponatriämie
    • Hypo-/Hyperthermie
    • Enzephalitis/Meningitis
    • postiktaler Zustand
    • komplexe Migräne
    • Schlaganfall
    • Psychose
    • intrakranielle Blutung
    • traumatische Hirnverletzung
    • Schock
    • Kohlenmonoxidvergiftung
    • Intoxikation/Toxidrome
  • Therapie
    • rascher Abstieg hat oberste Priorität (Mittel der 1. Wahl)
    • O2-Gabe: SpO2 titrieren auf > 90 %
    • tragbare Überdruckkammern (sofern verfügbar & keine Transportverzögerung): aggressive Therapie mit max. Druck (CAVE: wdh. körperliche Untersuchung nur begrenzt mgl.)
    • Gabe von Acetazolamid: 250 mg oral alle 12 h (Kinder: 2,5 mg/kg oral alle 12 h; max. 250 mg/Gabe)
    • Gabe von Dexamethason: 8 mg i.m./i.v./oral, gefolgt von 4 mg alle 6 h bis zum Abklingen der Symptome (Kinder: 0,15 mg i.m./i.v./oral alle 6 h; max. 4 mg/Gabe)

Höhenlungenödem (HAPE)

  • HAPE tritt in 50 % der Fälle isoliert von AMS/HACE auf
  • HAPE tritt häufig in der zweiten Nacht nach Exposition in größerer Höhe auf
  • Diagnosekriterien für Höhenlungenödem (HAPE): jeweils min. 2 Symptome aus beiden Gruppen
    • Tachykardie, Tachypnoe, zentrale Zyanose (Hypoxie) sowie Rasselgeräusche oder Keuchen in min. einem Lungenabschnitt
    • Dyspnoe in Ruhe, Husten (produktiv), verminderte Belastbarkeit bzw. Schwäche, thorakales Engegefühl
  • weitere Symptome sind Fieber und/oder hypoxische Enzephalopathie
  • Risikofaktoren
    • pulmonale arterielle Hypertonie
    • HAPE in der Vorgeschichte (Risiko von 50 – 60 % für Rezidiv)
    • pulmonale Infektionen
    • Persistierendes Foramen ovale (PFO)
    • Antidepressiva-Einnahme
  • Differenzialdiagnosen
    • Asthma, Bronchitis und/oder COPD
    • Herzinsuffizienz
    • Myokardinfarkt
    • Pneumonie
    • Lungenembolie
    • (Thorax)Trauma mit/ohne Pneumothorax
  • Therapie
    • rascher Abstieg hat oberste Priorität (Mittel der 1. Wahl): Abstieg mit so wenig Anstrengung wie möglich, am besten in Fahrzeug
    • O2-Gabe: SpO2 titrieren auf > 90 %
    • tragbare Überdruckkammern (sofern verfügbar & keine Transportverzögerung): aggressive Therapie mit max. Druck (CAVE: wdh. körperliche Untersuchungen nur begrenzt mgl.)
    • Gabe von Nifedipin, sofern Evakuierung sich verzögert oder nicht mgl. ist (Nifedipin retardiert: 30 mg oral alle 12 h ; Nifedipin nicht retardiert: 20 mg oral alle 8 h)
    • alternativ zu Nifedipin Gabe von Phosphodiesterase-Hemmern (10 mg Tadalafil oral alle 12 h oder 50 mg Sildenafil oral alle 8 h)
    • bei RTH-Evakuierung Flug in niedrigstmöglicher Höhe

Lake Louise Acute Mountain Sickness Score

SymptomSymptomausprägung
Kopfschmerzen0 – keine Kopfschmerzen
1 – geringe Kopfschmerzen
2 – moderate Kopfschmerzen
3 – starke Kopfschmerzen (handlungsunfähig)
gastrointestinale Symptome0 – normaler Appetit
1 – geringer Appetit oder Übelkeit
2 – moderate Übelkeit oder Erbrechen
3 – starke Übelkeit oder Erbrechen (handlungsunfähig)
Müdigkeit/Erschöpfung0 – keine Müdigkeit/Schwäche
1 – geringe Müdigkeit/Schwäche
2 – moderate Müdigkeit/Schwäche
3 – starke Müdigkeit/Schwäche (handlungsunfähig)
Schwindel/Benommenheit0 – kein Schwindel/Benommenheit
1 – geringer Schwindel/Benommenheit
2 – moderater Schwindel/Benommenheit
3 – starker Schwindel/Benommenheit (handlungsunfähig)
Auswertung: milde AMS: 3 – 5 Punkte; moderate AMS: 6 – 9 Punkte; schwere AMS: 10 – 12 Punkte

Algorithmus

Quelle: https://jts.health.mil/assets/docs/cpgs/Altitude_Emergencies_Prehospital_Environment_05_Mar_2024_ID95.pdf
Quelle: https://jts.health.mil/assets/docs/cpgs/Altitude_Emergencies_Prehospital_Environment_05_Mar_2024_ID95.pdf
Published inLeitlinien kompakt

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