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29.02. – Tag der seltenen Erkrankungen (Rare Disease Day)

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Seit dem Jahr 2008 wird der Rare Disease Day, also der Internationale Tag der Seltenen Erkrankungen, begangen – zuerst in Europa & Canada und dann sukzessive immer mehr in der Welt verteilt. Organisiert wird der Internationale Tag der Seltenen Erkrankungen von der EURORDIS, einem Zusammenschluss von Patientenorganisationen. In Deutschland koordiniert die Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen e.V. (ACHSE) den Rare Disease Day. Einer der Auslöser war eine Umfrage der EURORDIS aus dem Jahr 2005 unter 5.980 Patient*innen, die zeigte das es an flächendeckender Expertise und an systematischen Behandlungspfaden fehlte. Die Umfrage ergabt unter anderem folgende Punkte:

  • 25 % warteten zw. 5 – 30 Jahren auf eine korrekte Diagnose
  • 40 % erhielten bei Ausbruch der Krankheit eine Fehldiagnose
  • 33 % erhielten durch die Fehldiagnose eine falsche Medikation
  • 16 % erhielten durch die Fehldiagnose falsche Operationen
  • 10 % erhielten aufgrund der Fehldiagnose eine unpassende psychologische Beratung

Als Tag wurde der letzte Tag im Februar gewählt und dies nicht ohne Grund, da der Februar aufgrund des 29. Februars im Schaltjahr auch eine sehr seltene Entität bietet, so wie es die Orphan Diseases, wie die seltenen Erkrankungen auch genannt werden, auch sind. Ziel des Rare Disease Day ist es die Öffentlichkeit auf die Belange der von seltenen Krankheiten betroffenen Patient*innen aufmerksam zu machen.

Grundsätzliches

Bei seltenen Erkrankungen handelt es sich um Krankheiten, welche nicht mehr als 1 von 2.000 bis 1 von 5.000 Menschen betreffen. Die Definition führt dazu, dass die Liste seltener Erkrankungen regional bzw. länderspezifisch ist, denn in manchen Ländern sind einige Erkrankungen viel häufiger als in anderen Regionen der Welt. So ist die Thalassämie z.B. in Nordeuropa ein seltenes Phänomen, aber in Mittelmeerländern nicht. So ergeben sich z.B. die jeweiligen regionalen/länderspezifischen Richtwerte für seltene Erkrankungen:

  • EU: relative Prävalenz von < 5 pro 10.000 Einwohner, also < 280.000 absolut Betroffene
  • USA: relative Prävalenz von < 7,5 pro 10.000 Einwohner, also < 200.000 absolut Betroffene (Anzahl Krankheiten: 7000)
  • Japan: relative Prävalenz von < 4 pro 10.000 Einwohner, also < 50.000 absolut Betroffene
  • Australien: relative Prävalenz von < 1 pro 10.000 Einwohner, also < 2.000 absolut Betroffene
  • Schweiz: relative Prävalenz von max. 5 pro 10.000 Einwohner, also max. 4.3000 absolut Betroffene

In der EU gibt es zusätzlich noch die Definition „äußerst seltener Krankheiten“, diese liegt bei einer Prävalenz von weniger als 0,2 pro 10.000 betroffenen Personen .

Versucht man die seltenen Erkrankungen zu charakterisieren, so lassen sich vor allem die nachfolgenden Charakteristika für Orphan Diseases festmachen:

  • oft sehr heterogene Gruppe von sehr komplexen Krankheitsbildern
  • meist schwerwiegend, chronisch und fortschreitend
  • mit Invalidität und/oder eingeschränkter Lebenserwartung einhergehend
  • häufig dauerhafte medizinische Versorgung notwendig
  • häufig bereits im Kindesalter erste Symptome (in <50 % der Fälle)
  • genetisch bedingt/mitbedingt (ca. 80 % aller Erkrankungen)
  • selten heilbar und/oder (noch) keine Therapie vorhanden

Nicht selten manifestieren sich die ersten Symptome der Orphan Diseases sich schon kurz nach der Geburt bzw. in den frühen Kindheitsjahren, wie z.B. bei der proximalen spinalen Muskelatrophie, der Neurofibromatose, der Osteogenesis imperfecta, der Chondrodysplasie oder dem Rett-Syndrom. Aber bei mehr als 50 % der seltenen Erkrankungen kommt es erst im Erwachsenenalter zur Manifestation wie z.B. bei der Huntington-Krankheit, dem Morbus Crohn, der Charcot-Marie-Tooth-Krankheit, der amyotrophe Lateralsklerose oder dem Kaposi-Sarkom).

  • Je weniger Menschen an einer Krankheit leiden, desto geringer ist auch das Wissen über deren Ursachen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten.
  • Oft vergehen deshalb Jahre, bis Ärztinnen und Ärzte eine Seltene Erkrankung richtig diagnostizieren.
  • nicht genetisch bedingte Erkrankungen sind v.a. Infektions-, Tumor- & Autoimmunkrankheiten

Zahlen & Fakten

Zahlen rund um den Globus

  • ca. 117.000.000 bis 484.000.000 Betroffene weltweit
  • ca. 27.000.000 – 36.000.000 betroffene Personen in der EU
  • > 4.000.000 Menschen mit seltenen Erkrankungen in Deutschland (6 – 8 % der Bevölkerung)
  • ca. 6.000 – 8.000 unterschiedliche chronische seltene Erkrankungen weltweit, daher Gesamtzahl der Betroffenen trotz der Seltenheit der einzelnen Erkrankungen hoch (der ca. 30.000 bekannten Krankheiten)
  • laut Untersuchungen kommen 85 % der Seltenen Erkrankungen bei weniger als einem von einer Million Menschen vor
  • nur 1.200 seltene Krankheiten haben mehr als fünf dokumentierte Fälle in der wissenschaftlichen Literatur
  • weltweit werden jährlich ca. 250 neue Seltene Erkrankungen entdeckt

Diagnosestellung

  • 70 % der Menschen mit seltenen Krankheiten warten mehr als 1 Jahr nach dem ersten Arztkontakt, bis sie eine bestätigte Diagnose erhalten
  • im Durchschnitt dauert es ca. 5 Jahre bis Patient*innen mit seltenen Krankheiten eine Diagnose erhalten

Therapie

  • derzeit ist die Therapie von nur ca. 3 % der bekannten seltenen Erkrankungen mit dafür zugelassenen Medikamenten möglich
  • im Jahr 2020 waren ca. 160 Orphan Drugs in der EU zugelassen und ca. 2.910 weitere Medikamente in der Entwicklungsphase
  • durch Forschung und die moderne Medizin konnten z.B. folgende Fortschritte erreicht werden: ⌀ Lebenserwartung bei Mukoviszidose 1938 von ca. 6 Monaten im Vergleich zur ⌀ Lebenserwartung von heute > 40 Jahren
  • Förderungsvolumen für Forschung und Entwicklung
    • Bundesforschungsministerium: 120.000.000 € seit 2003
    • Netzwerk europäischer Förderorganisationen ERA-NET TRANSCAN: 13.800.000 €
    • European Joint Programme for Rare Diseases: 55.000.000 €
    • insgesamt > 2.400.000.000 € europäischer Förderung in > 440 kooperativen Forschungs- und Innovationsprojekte

weitere Auswirkungen

  • 7 von 10 Menschen mit einer seltenen Krankheit und deren Familienangehörige müssen ihre beruflichen Tätigkeiten aufgrund der Erkrankung einschränken oder diese aufgeben
  • 2/3 der pflegenden Angehörigen verbringen mehr als 2 h pro Tag mit krankheitsbezogenen Aufgaben
  • Anteil an Menschen mit seltenen Krankheiten und Depressionen ist dreimal so hoch wie in der Allgemeinbevölkerung

Zentren für Seltene Erkrankungen

Um die Forschung, Diagnostik und Behandlung von seltenen Erkrankungen zu verbessern, wurde vor einigen Jahren ein Netz von Zentren für Seltene Erkrankungen etabliert, von denen es in Deutschland aktuell 36 Stück als Anlaufstelle für Betroffene gibt. Mit diesen Zentren versucht  man auch die aktuelle durchschnittliche Diagnosezeit von 5 Jahren zu senken und gleichzeitig Ressourcen und Fachkenntnisse zu bündeln und durch Forschungsprojekte und Fort- und Weiterbildungsangebote für Ärzt*innen die Versorgung betroffener Patient*innen zu verbessern.Eine Übersicht aller Zentren findet Ihr im SE-Atlas unter https://www.se-atlas.de/map/zse.

Die Zentren für Seltene Erkrankungen sind wie folgt aufgegliedert:

  • Typ-A-Zentren (Referenzzentren)
    • i.d.R. Teil von Universitätskliniken
    • zuständig für Menschen, die noch keine klare Diagnose haben und  bei denen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Seltene Krankheit vorliegt
    • Hilfe für Menschen mit gesicherter Diagnose, die richtigen Anlaufstellen  im Versorgungssystem zu finden (auch krankheitsübergreifend)
    • Sichtung von Akten von Verdachtspatient*innen sowie ggf. ambulante Vorstellung in Sprechstunden und/oder stationäre Einbestellung selbiger zur Diagnosesicherung/Beratung
    • nicht jedes Typ-A-Zentrum auf alle Seltenen Krankheiten spezialisiert, dafür aber sehr gut miteinander vernetzt, sodass Weiterleitung an spezialisiertes anderes Typ-A-Zentrum schnell möglich ist
  • Typ-B-Zentren (Fachzentren)
    • Einrichtungen in Kliniken, die Menschen mit Seltenen Erkrankungen versorgen
    • meist Spezialisierung auf best. Seltene Erkrankungen/Krankheitsgruppen
    • Behandlung nur mit gesicherter Diagnose/sehr klarer Verdachtsdiagnose möglich
    • immer an ein A-Zentrum angeschlossen (entweder an derselben Universitätsklinik wie ds A-Zentrum, aber auch andere Kliniken, die eng mit A-Zentrum verbunden sind)
  • Typ-C-Zentren (Kooperationszentren)
    • Behandlung nur mit gesicherter Diagnose/klarer Verdachtsdiagnose möglich
    • nur ambulante Vorstellung, v.a. regelm. Kontroll- & Beratungstermine
    • häufig spezialisierte Arztpraxen oder medizinische Versorgungszentren
Karte mit allen Zentren für Seltene Erkrankungen (Quelle: https://www.se-atlas.de/map/zse)

Sonstiges

Weitere Informationen findet Ihr auf den folgenden Seiten:

Zusätzlich findet Ihr hier im Blog auch einige Zusammenfassung zur Notfallbehandlung von Betroffenen: https://foamio.org/seltene-erkrankungen-orphan-diseases/

Quellen

Published inWelttag...

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